Die Sanktionierung von Ordnungswidrigkeiten nach dem Hinweisgeberschutzgesetz
A. Einführung
Das am 2.7.2023 in Kraft getretene Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) enthält Pflichten für private und öffentliche Beschäftigungsgeber u.a. zur Einrichtung interner Meldestellen zum Zwecke der Entgegennahme von Hinweisen auf rechtswidriges Verhalten innerhalb der Organisation. Über die Gebote und Pflichten des Gesetzes ist schon viel geschrieben worden, Rechtsprechung zur Konkretisierung der nicht immer eindeutigen Gesetzgebung wird folgen.
Die Ge- und Verbote des HinSchG sind bußgeldbewehrt. § 40 HinSchG enthält eine zentrale Bußgeldnorm mit einer Reihe von Ordnungswidrigkeitentatbeständen, die sich überwiegend an die verpflichteten Beschäftigungsgeber richten. Ein Bußgeldtatbestand adressiert wissentlich falsche Meldungen machende hinweisgebende Personen. An Rechtsträger, die externe Meldestellen einzurichten und zu betreiben haben, gerichtete Bußgeldtatbestände sucht man vergeblich.
Die Struktur der zentralen Bußgeldvorschrift des § 40 HinSchG ist übersichtlich: Abs. 1 enthält den einzigen Bußgeldtatbestand, der sich an hinweisgebende Personen richtet. Die Absätze 2, 3 und 4 regeln Ordnungswidrigkeiten in der Sphäre des Beschäftigungsgebers, Abs. 5 enthält eine Versuchsvorschrift, Abs. 6 die Zumessungsregeln.
Bei allen Tatbeständen handelt es sich um Jedermannsdelikte. Auch wenn sich die Vorschriften in der Regel faktisch an einen nur begrenzten Täterkreis richten, zeigt die Wahl der Formulierung „Wer …“, dass der Gesetzgeber die Bußgeldandrohungen nicht nur an einen geschlossenen Sondertäterkreis adressieren wollte.[1]
Wo an ein Unterlassen angeknüpft wird, ist hingegen eine Pflicht zum Handeln erforderlich, die regelmäßig den Beschäftigungsgeber treffen wird. Damit kommen bei juristischen Personen und Personenvereinigungen über die Merkmalsüberwälzung des § 9 Abs. 1 OWiG Organmitglieder, vertretungsberechtigte Gesellschafter, gesetzliche Vertreter, Betriebsleiter und Betriebsbeauftragte als Täter in Betracht, wo sie Pflichten verletzen, die die nach HinSchG verpflichteten Beschäftigungsgeber treffen. Eine Bebußung der Beschäftigungsgeber als juristische Person oder Personenvereinigung ist möglich, wenn die in § 30 OWiG genannten Anforderungen erfüllt sind.
B. Die einzelnen Bußgeldtatbestände
I. Wissentliche Offenlegung unrichtiger Informationen, § 40 Abs. 1 HinSchG
Der Tatbestand des § 40 Abs. 1 HinSchG richtet sich, wie der Blick in § 32 Abs. 1 HinSchG zeigt, an Personen, die Informationen über Verstöße offenlegen. Hierbei handelt es sich um solche Whistleblower, die sich an die Öffentlichkeit – zum Beispiel eine Zeitungsredaktion – wenden, nachdem sie entweder nicht oder erfolglos eine interne und/oder externe Meldestelle in Anspruch genommen haben. Ordnungswidrig ist die wissentliche Offenlegung unrichtiger Informationen. Erforderlich ist mit Blick auf den Wortlaut dolus directus 2. Grades, also die positive Kenntnis von der Unrichtigkeit der offengelegten Information. Dolus eventualis reicht nicht aus. Nicht der Bußgeldandrohung unterliegt eine Meldung unrichtiger Informationen an eine beim Beschäftigungsgeber eingerichtete und betriebene interne Meldestelle oder eine externe Meldestelle bei Bundes- oder Landesbehörden.
II. Behinderung einer Meldung und der Kommunikation, § 40 Abs. 2 Nr. 1 HinSchG
Gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 1 HinSchG ist die vorsätzliche Behinderung der Abgabe einer Meldung oder jedweder Kommunikation zwischen hinweisgebender Person und Meldestelle. Damit sind Meldungen an und Kommunikation mit internen als auch externen Meldestellen erfasst. Die Offenlegung i. S. von § 32 HinSchG ist hingegen keine Meldung im Sinne des HinSchG und damit keine von dieser Ordnungsnorm geschützte Verhaltensweise, vgl. § 3 Abs. 4, 5 HinSchG.
Mögliche Tathandlungen sind ein Einwirken auf den Whistleblower oder die verantwortlichen Personen der Meldestelle oder eine Unterbrechung der Kommunikation als solche, etwa durch Abfangen eines Briefs. Behindern durch pflichtwidriges Unterlassen (§ 8 OWiG) kann kann durch die mit Aufgaben der Meldestelle beauftragte Personen erfolgen, etwa dadurch, dass diese auf Kommunikationsversuche nicht reagieren, obwohl sie hierzu nach §§ 13 Abs. 1, 17 HinSchG gesetzlich verpflichtet sind. Die insoweit vorausgesetzte Garantenpflicht trifft primär den Beschäftigungsgeber und damit über die sog. Merkmalsüberwälzung des § 9 Abs. 1 OWiG die dort genannten Leitungspersonen. Auch wer seine Beschäftigten über die Einrichtung einer internen Meldestelle schlicht nicht informiert, riskiert ein Bußgeld. Denn der Beschäftigungsgeber bzw. seine Leitungspersonen haben nach § 7 Abs. 3 S. 2 HinSchG klare und leicht zugängliche Informationen über die Nutzung des internen Meldeverfahrens den Beschäftigten bereitzustellen. Wer diese Informationen nicht bereitstellt, behindert die Abgabe einer Meldung.
Gemäß § 40 Abs. 5 HinSchG ist der Versuch (§ 13 OWiG) der Behinderung einer Meldung oder der Kommunikation ordnungswidrig. Zu denken ist hier an die Weisung eines Vorgesetzten an den Whistleblower oder die Meldestelle, eine Meldung nicht einzureichen bzw. die Annahme einer solchen zu verweigern, welcher letztlich nicht nachgekommen wird.
III. Nicht dafür Sorge tragen, dass eine interne Meldestelle eingerichtet ist oder betrieben wird, § 40 Abs. 2 Nr. 2 HinSchG
Bebußt wird, auch wenn der Wortlaut aktives Tun suggeriert, das vorsätzliche Unterlassen der Einrichtung oder des Betriebs einer internen Meldestelle. Die Pflicht zum „Sorge tragen für die Einrichtung und den Betrieb der Meldestelle“ trifft den Beschäftigungsgeber i. S. von § 3 Abs. 9 Nr. 1 bis 3 HinSchG. Bußgeldadressat sind damit gem. § 9 Abs. 1 OWiG die dort genannten Leitungspersonen, auf die das persönliche bußgeldbegründende Merkmal Beschäftigungsgeber „überwälzt“ wird, sodass der Bußgeldtatbestand auf sie Anwendung findet.
Tatbestandsmäßig ist es jedenfalls, wenn eine Meldestelle pflichtwidrig überhaupt nicht eingerichtet und/oder betrieben wird. Die Bußgeldnorm ist nach § 42 Abs. 2 HinSchG erst seit dem 1. Dezember 2023 anzuwenden. Ab diesem Zeitpunkt handeln Beschäftigungsgeber mit mehr als 249 Beschäftigten bei mangelnder Meldestelle ordnungswidrig. Private Beschäftigungsgeber mit 50 bis 249 Beschäftigten sind nach § 42 Abs. 1 HinSchG erst seit dem 17. Dezember 2023 verpflichtet.
Es stellt sich die Frage, ob auch eine unzureichende, also nicht gesetzeskonforme Einrichtung und/oder ein unzureichender Betrieb dem Tatbestand unterfällt. Die an eine interne Meldestelle zu stellenden Kernanforderungen sind in § 14 HinSchG aufgeführt. Dieser schreibt die Einrichtung und den Betrieb mindestens eines Meldekanals i. S. von § 16 Abs. 3 HinSchG, die Gewährleistung vertraulicher Behandlung i. S. der §§ 8, 16 Abs. 2 HinSchG sowie die Unabhängigkeit und Fachkunde der mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragten Personen nach § 15 HinSchG. der internen Meldestelle muss gem. § 12 Abs. 4 HinSchG die nötigen Befugnisse eingeräumt werden. Es handelt sich bei den so umschriebenen Anforderungen im Wesentlichen um auslegungsbedürfte Merkmale, die anhand des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen sind und vor dem Hintergrund der Wortlautgrenze von Straf- und Bußgeldnormen sowie dem Bestimmtheitsgebot nur in eindeutigen Fällen zur Annahme führen dürfen, die Meldestelle werde nicht betrieben oder eingerichtet worden. Denkbar ist dies etwa, wenn die mit der Wahrnehmung der Aufgaben der Meldestelle beauftragte Person ersichtlich ungeeignet und dann auch weisungsunterworfen ist, etwa indem die weitere Bearbeitung von einer Zustimmung durch die Geschäftsführung abhängig gemacht wird. Intern fehlende Fachkunde kann freilich durch die Beauftragung einer fachkundigen externen Person als „Drittem“ i. S. von § 14 Abs. 1 S. 1 3. Alt. HinSchG kompensiert werden. Sofern Mängel der internen Meldestelle noch nicht zur Annahme eines bußgeldbedrohten Unterlassens der Einrichtung und des Betriebs führen, kommt aber die Behinderung einer Meldung oder der Kommunikation mit der Meldestelle i. S. von § 14 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG in Betracht.
IV. Ergreifen von Repressalien, § 40 Abs. 2 Nr. 3 HinSchG
Ordnungswidrig ist das vorsätzliche Ergreifen von Repressalien i.S. von § 3 Abs. 6 HinSchG gegen die hinweisgebende Person aufgrund einer Meldung oder Offenlegung. Gem. § 34 HinSchG genießen auch Unterstützer der hinweisgebenden Person diesen gesetzlichen Repressionsschutz. Das Verbot erfasst bereits solche Fälle, in denen ein Nachteil durch die Repressalie entstehen könnte, sodass schon die objektive Eignung zur Nachteilszufügung genügt. Auf einen tatsächlich eingetretenen Nachteil kommt es für die Vollendung nicht an. Die Beweislastumkehr des § 36 Abs. 2 HinSchG soll im Ordnungswidrigkeitenverfahren aufgrund der Unschuldsvermutung keine Anwendung finden.[2]
Der Repressionsschutzes zugunsten hinweisgebender Personen greift nur, wenn die Voraussetzungen des § 33 HinSchG kumulativ vorliegen. Danach muss eine Meldung bei einer internen oder externen Meldestelle oder eine rechtmäßige Offenlegung stattgefunden haben, zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung müssen hinreichenden Gründe zu der Annahme der Wahrheit der Informationen bestanden haben, und die Informationen müssen einen Verstoß i.S. des HinSchG betreffen bzw. die hinweisgebende Person hinreichenden Grund zur Annahme gehabt haben, dass dies der Fall ist. Für Helfer der hinweisgebenden Person müssen die in § 34 HinSchG genannten Voraussetzungen vorliegen. Nach § 34 Abs. 1 HinSchG sind auch natürliche Personen geschützt, die eine hinweisgebende Person im beruflichen Zusammenhang unterstützen, wenn die relevanten Informationen zutreffend sind und Verstöße i.S. des HinSchG betreffen oder der Unterstützer dies jeweils annehmen durfte. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 HinSchG sind auch Repressalien im beruflichen Zusammenhang aufgrund der Meldung/Offenlegung gegen sonstige Dritte unzulässig, wenn bei der hinweisgebenden Person die Voraussetzungen des § 33 HinSchG vorlagen. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 HinSchG gilt dasselbe auch für Personenverbände, an der die hinweisgebende Person beteiligt ist oder in einem beruflichen Kontext in Verbindung steht.
Repressionen im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit sind praktisch jede Benachteiligung. Erfasst sind sowohl arbeitsrechtliche Maßnahmen wie Ermahnung, Abmahnung, Versetzung, Freistellung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses, aber auch faktische Repressalien wie Mobbing oder Rufschädigung.[3] Gemäß § 40 Abs. 5 HinSchG ist bereits der Versuch zur Ergreifung von Repressalien ordnungswidrig. Da für die Vollendung bereits die Eignung zur Nachteilszufügung einer Handlung genügt, dürfte der Versuch auf Fälle der versuchten Anstiftung oder des untauglichen Versuchs beschränkt sein. Letzterer ist, anders als durch die Beschränkung in § 23 Abs. 3 StGB, im Ordnungswidrigkeitenrecht nur dann zu ahnden, wenn Opportunitätsgründe es nicht anders gebieten.[4]
V. Nichtwahrung der Vertraulichkeit, § 40 Abs. 3 HinSchG
Bebußt wird die Nichtwahrung der Vertraulichkeit durch die hierzu nach § 8 Abs. 1 S. 1 HinSchG verpflichteten internen und externen Meldestellen. Demzufolge richtet sich der Tatbestand an diejenigen Personen, welche mit der Wahrnehmung der Aufgaben der Meldestellen betraut wurden. Vertraulich zu behandeln ist vor allem die Identität einer hinweisgebenden Person. Die hinweisgebende Person ist nur geschützt, wenn sie Verstöße i.S. des HinSchG meldet oder hinreichenden Grund zur Annahme hatte, dass ein solcher vorliege. Darüber hinaus sind auch die durch die Meldung betroffenen Personen und alle sonstigen Personen, wie etwa genannte Zeugen, geschützt.
Die Identität umfasst nicht nur die unmittelbar identifizierenden Informationen, sondern auch solche, anhand derer ein Rückschluss auf die Identität einer Person möglich ist. Demnach ist nicht nur die Weitergabe eines Namens unzulässig, sondern auch aller sonstigen Informationen, die eine Personen identifizierbar machen – beispielsweise Spezialwissen oder Kennnummern. Ein Bekanntwerden gegenüber unterstützendem Personal wie Büro- und IT-Kräften ist zulässig, soweit dies erforderlich ist. In diesem Fall sind diese zur Vertraulichkeit zu verpflichten.[5] Daneben sind die Ausnahmen vom Vertraulichkeitsgebot nach § 9 HinSchG zu beachten. Danach ist die Weitergabe etwa bei Einwilligung, auf behördliches Verlangen oder, soweit erforderlich, zur Durchführung von Folgemaßnahmen zulässig.
Die Vertraulichkeit ist dann nicht gewahrt worden, wenn eine nicht zur Vertraulichkeit verpflichtete Person unrechtmäßig Kenntnis von identifizierbaren Informationen erlangt hat. Darüber hinaus soll es im Sinne eines Gefährdungserfolges schon genügen, wenn es nur noch vom Zufall abhängt, dass es zu einer solchen Kenntniserlangung kommt, weil eine entsprechende Zugriffsmöglichkeit besteht.[6] Anders, als der Wortlaut nahelegt, wird die Vertraulichkeit primär mittels aktiven Tuns verletzt. Dies kann durch die nichtberechtigte Weitergabe von Informationen oder der Einrichtung falscher Zugangsberechtigungen erfolgen. Darüber kann auch ein Unterlassen tatbestandsmäßig sein, etwa indem die nötigen Sicherungsmaßnahmen nicht ergriffen werden. Hierzu gehört vor allem die sichere Aufbewahrung der Meldungen, sowohl in analoger als auch digitaler Form. Die hierzu erforderliche Garantenpflicht der betrauten Personen der Meldestelle ist in diesem Fall aus § 8 HinSchG herzuleiten.
Nach § 40 Abs. 3 HinSchG ist vorsätzliches und leichtfertiges Handeln bußgeldbedroht, Abs. 4 erweitert dies auf fahrlässiges Handeln. Grund für die Ausweitung auf fahrlässiges Handeln ist der Begründung des Regierungsentwurfs zufolge das Vertraulichkeitsgebot als zentrales Element des Hinweisgeberschutzes.[7] Die Differenzierung im Handlungsunrecht schlägt sich auch in den drohenden Bußgeldern nieder (hierzu noch sogl. C.V.)
Über den Einheitstäterbegriff des § 14 Abs. 1 OWiG können auch beteiligte Personen bebußt werden, die nicht mit der Wahrnehmung der Aufgaben einer Meldestelle betraut sind. Mit der herrschenden Meinung ist dies auf die vorsätzliche Mitwirkung beschränkt[8] – zum Beispiel der Vorgesetzte, der die Offenlegung einer Meldung durch die Meldestelle fordert.
C. Bußgeldandrohung und Verfolgung
Für die Ordnungswidrigkeitentatbestände des § 40 HinSchG gelten gem. § 40 Abs. 6 HinSchG i.V.m. § 17 Abs. 1 OWiG unterschiedliche Bußgeldrahmen von bis zu 10.000 Euro, 20.000 Euro oder 50.000 Euro. Weiter ist zu differenzieren, ob sich das Bußgeld gegen eine handelnde Person oder den Beschäftigungsgeber richtet. Bei letzterem kann die gesetzliche Obergrenze des Ahndungsteils durch Verweis in § 40 Abs. 6 S. 2 HinSchG auf § 30 Abs. 2 S. 3 OWiG auf das Zehnfache erhöht sein.
I. Wissentliche Offenlegung unrichtiger Informationen, § 40 Abs. 1 HinSchG
Bei wissentlicher Offenlegung unrichtiger Informationen droht der hinweisgebenden Person ein Bußgeld von bis zu 20.000 Euro.
II. Behinderung einer Meldung oder der Kommunikation, § 40 Abs. 2 Nr. 1 HinSchG
Die Behinderung einer Meldung oder der Kommunikation zwischen hinweisgebender Person und interner oder externer Meldestelle wird mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro geahndet. Richtet sich das Bußgeld gegen den Beschäftigungsgeber (als Verbandsgeldbuße, § 30 Abs. 1 OWiG), so verzehnfacht sich das Höchstmaß der Geldbuße gem. § 40 Abs. 6 S. 2 HinSchG i.V.m. § 30 Abs. 2 S. 3 OWiG auf 500.000 Euro. Die Bebußung des Beschäftigungsgebers als juristische Person oder Personenvereinigung ist möglich, wenn die Anknüpfungstat i. S. von § 40 HinSchG eine der in § 30 Abs. 1 OWiG genannten Leitungspersonen begangen hat oder eine Leitungsperson seine Aufsichtspflichten i. S. von § 130 Abs. 1 OWiG derart verletzt hat, dass es zur Verletzung eines Ge- oder Verbots i. S. von § 40 HinSchG gekommen ist. Mit Blick auf die Unabhängigkeit der internen Meldestelle erscheint es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die mit Aufgaben der Meldestelle betraute Person als Leitungsperson i. S. von § 30 Abs. 1 Nr. 5 OWiG zu qualifizieren ist, sodass eine von ihr begangene Ordnungswidrigkeit gen. § 40 HinSchG zu einer Verbandsgeldbuße führen können.
III. Nicht dafür Sorge tragen, dass eine interne Meldestelle eingerichtet ist oder betrieben wird, § 40 Abs. 2 Nr. 2 HinSchG
Das vorsätzliche Nicht-Sorge-dafür-tragen, dass eine interne Meldestelle eingerichtet oder betrieben wird, wird mit bis zu 20.000 Euro bebußt. Gegen den Beschäftigungsgeber kann nach § 30 Abs. 2 S. 2 OWiG ebenfalls ein Bußgeld von bis zu 20.000 Euro verhängt werden (zu den diesbzgl. Voraussetzungen siehe oben C. II.).
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Gem. § 42 Abs. 2 HinSchG ist der Bußgeldtatbestand des § 40 Abs. 2 Nr. 2 HinSchG erst seit dem 1. Dezember 2023 anzuwenden. Wegen des Bestimmtheitsgebots (§ 1 StGB i. V. mit § 46 Abs. 1 OWiG) kann das pflichtwidrige Unterlassen der Einrichtung und des Betriebs einer internen Meldestelle daher nur dann bebußt werden, wenn es ab dem 1. Dezember 2023 stattgefunden hat. Da gem. § 42 Abs. 1 HinSchG die Pflicht zur Einrichtung und zum Betrieb einer internen Meldestelle für „kleine“ private Beschäftigungsgeber mit 50 bis 249 Beschäftigten erst ab dem 17. Dezember 2023 gilt, kann ein Unterlassen bei diesen erst ab diesem Tag zu einer Bebußung führen.
IV. Ergreifen von Repressalien, § 40 Abs. 2 Nr. 3 HinSchG
Das Ergreifen von Repressalien gegen die hinweisgebende Person oder deren Unterstützer kann mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro sanktioniert werden.
Dem Beschäftigungsgeber droht nach § 40 Abs. 6 S. 2 HinSchG i.V.m. § 30 Abs. 2 S. 3 OWiG ein Bußgeld von bis zu 500.000 Euro.
V. Nichtwahrung der Vertraulichkeit, § 40 Abs. 3 HinSchG
Wer als Meldestelle die Vertraulichkeit nicht wahrt, dem droht bei Vorsatz ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro. Bei leichtfertigem Handeln halbiert sich die Höchstgeldbuße gemäß § 17 Abs. 2 HinSchG auf 25.000 Euro. Bei einfach fahrlässigem Handeln droht ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro.
Beim Beschäftigungsgeber verzehnfachen sich die Bußgeldrahmen nach § 40 Abs. 6 S. 2 HinSchG i.V.m. § 30 Abs. 2 S. 3 OWiG je nach Anknüpfungstat auf 500.000 Euro, 250.000 Euro oder 100.000 Euro (zu den diesbzgl. Voraussetzungen siehe oben C. II.).
VI. Konkurrenzen, Verjährung
Verwirklicht ein Verhalten materiell zugleich einen Straftatbestand, so wird nach § 21 Abs. 1 S. 1 OWiG grundsätzlich nur die Straftat verfolgt. Bei dem Verbot von Repressalien ist an die Beleidigungs-, Nötigungs- und auch Körperverletzungsdelikte zu denken, bei der wissentlichen Offenlegung unrichtiger Informationen insbesondere an die Verletzung von Privatgeheimnissen, § 23 GeschGehG sowie Landesverrat. Bei der Behinderung der Kommunikation können die §§ 202 ff. StGB einschlägig sein.
Innerhalb des § 40 HinSchG ist die fehlende Einrichtung oder Betrieb einer internen Meldestelle von der Behinderung der Abgabe einer Meldung abzugrenzen. Letztlich behindert die fehlende oder, dem gleichkommend, von den gesetzlich Kernanforderungen abweichend eingerichtete Meldestelle die Abgabe einer Meldung.[9] Aufgrund der spezielleren Regelung und des – kontraintuitiv – geringeren Bußgeldrahmens wird der Tatbestand des § 40 Abs. 2 Nr. 2 HinSchG dem des § 40 Abs. 2 Nr. 1 HinSchG aber vorgehen. Im Übrigen gelten die allgemeinen Regeln der §§ 19, 20 OWiG.
Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und die Anordnung von Nebenfolgen wird gem. § 31 Abs. 1 OWiG durch die Verjährung ausgeschlossen. Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nach dem HinSchG verjähren überwiegend in drei Jahren (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 OWiG), nur die fahrlässige Verletzung des Vertraulichkeitsgebots verjährt in zwei Jahren (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 OWiG). Die Verjährung beginnt, wenn die Tat beendet ist (§ 31 Abs. 3 OWiG). Die Beendigung setzt die Verwirklichung sämtlicher objektiver und subjektiver Tatbestandsmerkmale sowie die tatsächliche Beendigung der Tat voraus.[10] Bei Unterlassungsordnungswidrigkeiten – etwa dem Unterlassen der Einrichtung und des Betriebs einer internen Meldestelle – beginnt die Verjährung, wenn die Handlungspflicht geendet hat oder ihr nachgekommen wurde.[11] Die Verjährung der Verfolgung von juristischen Personen und Personenmehrheiten gem. § 30 Abs. 1 OWiG richtet sich akzessorisch nach der Verjährung der Anknüpfungstat, für die der Verband haftet. § 30 Abs. 2 i. V. mit § 31 Abs. 2 OWiG gilt mithin nicht.[12]
VII. Zuständigkeit
Die sachliche Zuständigkeit für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten richtet sich mangels Sonderzuweisung an eine bestimmte Behörde nach § 36 Abs. 2 OWiG, wonach die fachlich zuständige oberste Landesbehörde (Nr. 1 a)) oder das fachlich zuständige Bundesministerium (Nr. 2 b)), soweit das HinSchG von Bundesbehörden ausgeführt wird, als zuständige Behörden vorgesehen sind.[13]
D. Fazit
Der Gesetzgeber hat die wichtigsten Gebote des HinSchG – keine Offenlegung unrichtiger Informationen, Einrichtung einer Meldestelle, Vertraulichkeit der Meldestelle, keine Behinderung von Meldungen und das Verbot von Repressalien – durch bußgeldrechtliche Sanktionen abgesichert. Überwiegend setzen diese ein vorsätzliches, bei der Offenlegung unrichtiger Information sogar wissentliches Handeln voraus. Einzig das Vertraulichkeitsgebot kann auch leichtfertig oder fahrlässig verletzt werden.
Damit drohen den handelnden Personen, über § 30 OWiG den Beschäftigungsgebern und nicht zuletzt bei der Verletzung von betrieblichen Aufsichtsmaßnahme über §§ 130, 9 OWiG auch den Leitungspersonen nicht unerhebliche Bußgelder.
[1] Vgl. BGH, NStZ 2014, 581 (582).
[2] Begründung RegE HinSchG, BT-Drs. 20/3442, S. 98.
[3] Vgl. den nicht abschließenden Katalog in Art. 19 der HinSch-RL– Richtlinie (EU) 2019/1937.
[4] Rengier, in: KK-OWiG, § 13 Rn. 44.
[5] Begründung RegE HinSchG, BT-Drs. 20/3442, S. 74.
[6] Herold, in: BeckOK HinSchG, 1. Ed. 15.10.2023, § 40 Rn. 111.
[7] Begründung RegE HinSchG, BT-Drs. 20/3442, S. 98 f.
[8] Rengier, in: KK-OWiG, § 14 Rn. 5 m.w.N.
[9] Vgl. Begründung RegE HinSchG, BT-Drs. 20/3442, S. 98.
[10] Gertler, in: BeckOK OWiG, 40. Ed. 1.10.2023, OWiG § 31 Rn. 20
[11] BGH, BeckRS 2018, 38370; BFH, BeckRS 2017, 140799; Gürtler/Thoma, in: Göhler OWiG, § 31 Rn. 11–13; Ellbogen, in: KK-OWiG, §31 Rn. 26; Krenberger/Krumm, OWiG, § 31 Rn. 16.
[12] Meyberg, in: BeckOK OWiG, 40. Ed. 1.10.2023, OWiG § 30 Rn. 140.
[13] Herold, in: BeckOK HinSchG, 1. Ed. 15.10.2023, HinSchG § 40 Rn. 124