Antje Klötzer-Assion

Tagungsbericht Thementag Außenwirtschaft in Köln, 17. und 18.10.2023

Am 17. und 18.10.2023 fand in Köln der 13. Thementag Außenwirtschaft statt, der jährlich von der Reguvis Akademie GmbH veranstaltet wird. Diese Fachveranstaltung für sachkundige Teilnehmer aus dem Bereich Außenhandel, Zoll- und Exportkontrollrecht sowie (Trade) Compliance zählt zu den renommiertesten Veranstaltungen dieser Art und bietet für die Teilnehmenden neben hervorragenden Fachvorträgen verschiedene Workshops zum Praktikeraustausch.

Am ersten Veranstaltungstag führte Prof. Dr. Graf von Bernsdorf in die aktuellen Themen zum Außenhandelsrecht 2023 ein. Neben der Darstellung der Entwicklung des Rechts zur digitalen Außenhandelsabwicklung berichtete der Referent über die Neuigkeiten zur Produkthaftung in der EU. Seit 28.09.2022 liegt der Vorschlag der EU-Kommission für eine neue EU-Richtlinie über die Haftung für fehlerhafte Produkte vor.[1] Ein Feld, das es auch aus Sicht der Einführer im Blick zu behalten gilt. Denn im Moment ist davon auszugehen, dass es insbesondere auch für Importeure von Produkten aus Drittländern Haftungsverschärfungen bei Einfuhr fehlerhafter Produkte geben wird.

Im Anschluss daran berichtete Frau Prof. Dr. Rinnert über Aktuelles im Zollrecht. Es wurden der Reformvorschlag für ein neues europäisches Zollrecht vorgestellt[2] und klassische Zollthemen erörtert, wie z. B. Aktuelles zum Zollwertrecht, Neues zu Zinsen in Erstattungsfällen, Problemstellungen im Bereich Zoll- und Einfuhrumsatzsteuer etc. Angesichts der Übermacht der medialen Berichterstattung zu Exportkontrollthemen bot der Vortrag eine sehr gute Übersicht über nicht weniger beachtliche Entwicklungen.

Von besonderem Interesse ist und wird künftig sein der Reformvorschlag für ein neues europäisches Zollrecht der Kommission[3], der laut Rinnert folgende Punkte beinhaltet:

  • Gründung einer EU Zollbehörde (EU Customs Authority)
  • Schaffung einer EU-Zolldatenplattform (EU Customs Data Hub)
  • Schaffung eines One-Stop-Shop für den neuen Trust and Check Trader (neuer AEO plus)
  • Risikomanagement durch Lieferkettenüberwachung
  • Zollanmelder wird ersetzt durch Einführer mit multi-filing
  • die ENS heißt künftig Advance Cargo Information
  • Keine physische Gestellung im Regelfall
  • Sämtliche Anmeldungen werden durch die Zurverfügungstellung von Geschäftsdaten ersetzt, anschreibe Verfahren wird zum Standard
  • Echte Eigenkontrolle und zentrale Zollabwicklung
  • Umsetzung des Reformvorhabens in den nächsten 10 – 15 Jahren.[4]

Diesen bereits sehr interessanten und einführenden Vortrag am ersten Veranstaltungstag rundet Prof. Dr. Wolffgang mit seinem Beitrag am nächsten Veranstaltungstag ab. Unter dem Titel „Reform der EU-Zollunion: Visionen, Inhalt, Status“ referierte Wolffgang zu den auf dem Tisch liegenden Initiativen. Der von ihm gewählte Titel hält, was er verspricht: der Zuhörer bleibt mehr mit Visionen als mit Inhalt und Status zurück.

Den – wie auch von Wolffgang dargestellt – gescheiterten bisherige Initiativen zur Modernisierung des Zollrechts[5] ist gemeinsam, dass es an der notwendigen Digitalisierung innerhalb der 27 Mitgliedstaaten fehlt(e). Genau diese soll jedoch Grundlage für die Zollrechtsreform sein.

Die Modernisierungsbestrebungen[6] scheinen eher Vereinfachungsmaßnahmen für die Verwaltung als für die Wirtschaft zu bedeuten. Der Wirtschaft wird in Zukunft ein noch intensiveres Risikomanagement abverlangt werden. Dabei wird der Wirtschaftsbeteiligte zugleich zum „gläsernen Wirtschaftsbeteiligten“. Denn er soll umfangreiche Daten in die künftige EU-Zolldatenplattform liefern, ohne jedoch selbst an Erkenntnissen aus diesen Datenpool partizipieren zu dürfen.

Dr. Pottmeyer stellte Aktuelles im Exportkontrollrecht 2023 vor, zeigte die Sanktionspakete unter dem Russland-Embargo auf und berührte auch die nunmehr in VO (EU) Nr. 833/2014 eingefügte Regelung zu sogenannten Umgehungsgeschäften, Art. 12f VO (EU) Nr. 833/2014. Interessant waren auch Pottmeyers Ausführungen zur Effektivität der Sanktionen der EU unter Berufung auf Angaben von IWF und Bundesregierung. Nimmt man die öffentliche Berichterstattung ernst, dürfen Zweifel an der Effektivität mehr als laut werden.

Schließlich berichtete Pottmeyer vor dem Hintergrund der komplexen Regelungen im Kontext des Russland-Embargos über das neue „Tätigkeitsfeld für Staatsanwaltschaften und Strafverteidiger“. Hier wird man ihm uneingeschränkt zustimmen dürfen…Allerdings beschert diesen Zuwachs die Politik, nach deren Weisung jeder noch so kleine Arbeitsfehler – systemwidrig – als Außenwirtschaftsstraftat behandelt wird.

Spätestens durch den Beitrag von Dr. Harings zum Thema „Aktuelles zu Nachhaltigkeit und Compliance 2023“ ist jedem Teilnehmer bewusst geworden, dass das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), die Corporate Sustainability Due Diligence Directive , die VO Entwaldungsfreie Lieferketten, der EU-Vorschlag für eine Verordnung gegen Zwangsarbeit usw. längst in den Zollabteilungen der Wirtschaftsunternehmen angekommen sind und die nächste – bürokratische – Herausforderung mitbringen.

Es zeigt sich ein starker Eingriff in die Tätigkeit der klassischen Zoll- und Exportabteilungen im Unternehmen. Dr. Harings berichtete über die ambitionierten Ziele der EU im Hinblick auf die Umgestaltung der Wirtschaft für eine nachhaltige Zukunft. Die Zukunft wird zeigen, wie die Wirtschaft diese Vorgaben umsetzt und z.B. Sorgfaltserklärungen, die nach VO (EU) 2023/1115 zu erstellen sind, mit Leben füllt.

Die Verfasserin hat am 17.10.2023 an dem Workshop von Dr. Ovie und Herrn Ebner zum Thema „Exportkontrolle und Sanktionen – Aktuelle weltweite Verflechtungen und Risiken“ teilgenommen. Die Referenten haben in einem Rundumschlag die gesetzlichen Vorgaben und aktuellen Herausforderungen des Russland Embargos aufgezeigt und mit den in der Praxis besondere Schwierigkeiten bereitenden Themen wie „Handelsströme und Umgehung“, „Einfuhr von Eisen- und Stahl Erzeugnissen“, „Jedermannspflichten/Mitteilungspflichten“, „Anti – Boykott – Regeln“ etc. den Nerv getroffen. Eingegangen wurde auch auf die Maßnahmen Chinas, vor allem auf die Neuerungen des Exportkontrollgesetzes und des Anti-Spionage Gesetzes, das in überarbeiteter Fassung in China seit 01.07.2023 in Kraft ist.

Zu der Empfehlung für Lösungsansätze in kleinen wie großen Unternehmen passte sodann schließlich sehr gut der Vortrag von Möllenhoff zu den straf- und bußgeldrechtlichen Aspekten des Ausfuhrverfahrens.

Beide Veranstaltungstage waren mit der Verknüpfung der dringendsten Themen sowohl auf Einfuhrseite als auch im Bereich der (internen) Exportkontrolle höchst informativ, von fachkundigen Referenten hervorragend geleitet und geprägt von einem interessanten Austausch der Praktiker.

[1] COM(2022) 495 final.

[2]https://germany.representation.ec.europa.eu/news/eu-zollreform-soll-zollverfahren-moderner-und-effizienter-machen-2023-05-17_de.

[3] Umgestaltung der zollrechtlichen Verfahrensweisen durch Änderung des UZK, COM (2023) 258 final; Änderung der ZollbefreiungsVO, der KN-VO und der MwStSystRL, Schwerpunkt E-Commerce, COM(2023)259 final und COM(2023)262 final; https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/13316-Uberarbeitung-des-Zollkodex-der-Union_de.

[4] Siehe auch zur Verknüpfung relevanter IT-Systeme der Kommission außerhalb des Zollbereichs mit den nationalen Zollabwicklungssystemen und nationalen Partnerbehörden: VO (EU) 2022/2399, Single Window-VO.

[5]Dazu schon Klötzer-Assion, Modernisierung des Zollkodex – ein Nachtrag, wistra 2008, 254 f.; Klötzer-Assion, Modernisierung des Zollkodex – Der Weg zum europäischen Zollstrafrecht?, wistra 2007, 1 ff.

[6] Geplante Rechtsakte: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union und der Zollbehörde der Europäischen Union sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 (MUCC); Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 im Hinblick auf die Einführung einer vereinfachten zolltariflichen Behandlung von Waren im Fernabsatz und der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 im Hinblick auf die Abschaffung der Zollbefreiungsschwelle; Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG hinsichtlich der mehrwertsteuerlichen Behandlung von Steuerpflichtigen, die den Fernabsatz von eingeführten Gegenständen.

Autorinnen und Autoren

  • Antje Klötzer-Assion
    Rechtsanwältin und Diplom-Finanzwirtin (FH) Antje Klötzer-Assion ist Gründerin und Inhaberin der Kanzlei Klötzer-Assion und im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht tätig. Über die klassischen Deliktsbereiche wie z.B. Betrug, Untreue, Korruption, Kapitalmarktstraftaten etc. hinaus zählen u. a. das Arbeitsstrafrecht, das Bau- und Medizinstrafrecht sowie das Außenwirtschafts- und Zollstrafrecht zu ihren Praxisschwerpunkten. Antje Klötzer-Assion ist Mitglied des DAV, des Europäischen Forums für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll e.V. (EFA) sowie der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung e.V. (WisteV).

WiJ

  • Dr. Simon Ulc , Marc Neuhaus

    Übernahme von Kosten für Verteidiger und Zeugenbeistände – eine Praxisübersicht

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Dr. Ricarda Schelzke

    BGH, Urteil vom 6. März 2024 – 1 StR 308/23

    Individual- und Unternehmenssanktionen

  • Dr. Marius Haak , Joshua Pawel LL.M.

    Umweltkriminalität im Visier der EU – Richtlinie zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt vom Rat beschlossen

    Produkthaftung, Umwelt, Fahrlässigkeit und Zurechnung