Strafrechtliche Risiken bei der Sanktions- Compliance Teil 1
Im Zuge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat die EU massive und mittlerweile in ihrem Umfang beispielslose Sanktionen gegen Russland erlassen, die seitdem stetig erweitert werden. Die Sanktionen richten sich primär gegen Russlands wirtschaftliche Basis und seine Beschaffungsbemühungen für kriegswichtige Güter.
Durch weitreichende Verbote sowie flankierende Maßnahmen und damit einhergehende Sorgfaltspflichten müssen EU-Unternehmen ein sehr komplexes Terrain an Vorgaben navigieren, bei dem oft nicht eindeutig ist, wie Sanktions-Compliance sichergestellt werden kann. Trotz einiger Unsicherheiten bestehen für Unternehmen in Deutschland erhebliche straf- und ordnungswidrigkeitsrechtliche Risiken, da viele Sanktionsverstöße straf- und bußgeldbewehrt sind. Dazu kommen noch potenziell empfindliche verwaltungsrechtliche Sanktionen sowie nicht zu unterschätzende Reputationsschäden.
Dieser Beitrag greift einige der zentralen Fragen der Sanktions-Compliance auf, beleuchtet dabei strafrechtliche Risiken sowie Schwierigkeiten und geht auf aktuelle Entwicklungen ein.
I. Rechtsrahmen der EU-Sanktionen
1. Die Sanktionen im Überblick
Zentraler Bestandteil der restriktiven Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands gegen die Ukraine sind die regelmäßig aktualisierten und erweiterten Verordnungen (EU) Nr. 269/2014[1] (Finanzsanktions-VO) und (EU) Nr. 833/2014 (Russland-VO).[2] Im weiteren Zusammenhang des Konflikts treten weitere Rechtsakte hinzu, wie bspw. die Belarus-Sanktionsverordnung,[3] oder aber auch Sanktionen gegen den Iran und Nordkorea aufgrund ihrer Unterstützung der militärischen Aggression gegen die Ukraine.
Die Finanzsanktions-VO legt die Sanktionen gegen einzelne natürliche und juristische Personen fest, die im weiten Sinne Russlands Aktivitäten in der Ukraine, oder aber auch Russland bei der Sanktionsumgehung unterstützen. Der Rechtsakt bildet insbesondere die Grundlage für das Einfrieren von russischen Vermögenswerten und die in Verbindung mit diesen Vermögenswerten stehenden Meldepflichten.
Dagegen bildet die Russland-VO die Grundlage für die weitreichenden Handelsembargos und die zahlreichen weiteren Einschränkungen der wirtschaftlichen Beziehungen mit Russland sowie den Ausgangspunkt der damit einhergehenden Sorgfaltspflichten für Unternehmen.
Der Anwendungsbereich der Sanktionen wird dabei grundsätzlich durch die jeweiligen Rechtsakte selbst festgelegt. Art. 13 der Russland-VO sieht vor, dass die Verordnung im Gebiet der Union sowie für nach dem Recht eines Mitgliedsstaats gegründete oder eingetragene juristische Personen innerhalb und außerhalb des Unionsgebiets gilt.[4] Sie gilt zudem für juristische Personen in Bezug auf Geschäfte, die ganz oder teilweise in der Union getätigt werden.[5] Es bedarf also einer Verbindung (Nexus) zur Union; der Verordnung soll grundsätzlich keine extraterritoriale Wirkung zukommen. Dieser Grundsatz beginnt aber angesichts der anhaltenden Umgehung der Sanktionen zunehmend zu bröckeln. In Folge der Sanktionserweiterungen vor allem durch neue Sorgfaltspflichten für Unternehmen kann sogar von einem Paradigmenwechsel gesprochen werden, der sich vor allem durch eine faktisch extraterritoriale Wirkung der Sanktionen manifestiert (siehe dazu. IV. 2. a)).
2. Die aktuell relevantesten Verbote
Die Wirtschaftssanktionen sehen eine Vielzahl weitgreifender Verbote und Beschränkungen vor, mit denen letztendlich die Fähigkeit Russlands zur Kriegsführung eingeschränkt werden soll. Ein zentraler Bestandteil der restriktiven Maßnahmen sind dabei die zahlreichen Ein- und Ausfuhrverbote der Russland-VO. Durch diese soll Russland der Zugang zu kritischen Technologien versperrt sowie die wirtschaftliche Basis des Landes geschwächt werden.
Die Einfuhrverbote betreffen einige Schlüsselsektoren und Einnahmequellen der russischen Wirtschaft, allen voran Rohstoff- und Halberzeugnisexporte: So ist es bspw. verboten, gewisse Eisen- und Stahlerzeugnisse russischen Ursprungs oder aus Russland heraus unmittelbar oder mittelbar in die EU einzuführen, zu kaufen oder zu befördern.[6] Ähnlich betroffen sind Rohöl und Erdölerzeugnisse[7] sowie Düngemittel.[8] Gleichzeitig sollen die Ausfuhrverbote Russland von dem Zugang zu eben jenen Gütern abschneiden, die es nicht oder nur in begrenztem Maße selbst produzieren kann, worunter häufig auch kriegswichtige Güter fallen. So ist es zum Beispiel verboten, Güter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck (sogenannte Dual-Use-Güter) unmittelbar oder mittelbar an natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Russland oder zur Verwendung in Russland zu verkaufen, zu liefern, zu verbringen oder auszuführen.[9] Darüber hinaus ist aber bspw. auch die Ausfuhr bestimmter Luxusgüter nach Russland verboten.[10]
Abbildung 1: Eine Auswahl der relevanten Verbote der Russland-VO.

Flankiert werden diese Ein- und Ausfuhrverbote im Regelfall durch weitgreifende Bereitstellungsverbote, die mit den jeweiligen gelisteten Gütern in Verbindung stehende (Finanz-)Dienstleistungen untersagen. So ist es typischerweise auch verboten, technische Hilfe (technische Dienstleistungen wie Reparaturen oder Montage) sowie Vermittlungsdienste (Aushandlung oder Veranlassung des Kaufs bzw. Verkaufs oder der Lieferung) im Zusammenhang mit den betroffenen Gütern und Technologien zu erbringen.[11] Genauso ist in der Regel auch die Bereitstellung von Finanzmitteln und Finanzhilfen verboten.[12] Diese flankierenden Maßnahmen tragen dazu bei, die Effektivität der zentralen Einfuhr- und Ausfuhrverbote zu stärken, indem die für die jeweiligen Transaktionen und Güter oft essentiellen Dienstleistungen ebenfalls untersagt werden.
Jedoch fehlt den Verboten der Russland-Sanktionen aufgrund ihrer großen Reichweite oft die nötige Konturschärfe, sodass die Grenzen zu ebenfalls verbotenen Sanktionsumgehungshandlungen häufig fließend verlaufen – was unter anderem auch im Hinblick auf eine möglich Strafbewehrung solcher Handlungen problematisch sein kann (siehe dazu IV. 1. b)).
Darüber hinaus sieht die Russland-VO zahlreiche weitere Verbote und Beschränkungen vor (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2: Eine Auswahl weiterer Verbote und Beschränkungen durch die Russland-Sanktionen.

Dagegen verlangt die Finanzsanktions-VO primär von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten Gelder und andere wirtschaftliche Ressourcen sanktionierter Individuen und juristischer Personen einzufrieren.[13] Zugleich statuiert sie weitreichende Bereitstellungsverbote in Bezug auf diese sanktionierten Personen, damit diese keinen Zugriff auf neue wirtschaftliche Ressourcen bekommen.[14] Zusätzlich sieht die Verordnung zahlreiche Ausnahmeregelungen vor.[15] Schließlich werden umfangreiche Meldepflichten hinsichtlich der Existenz und der Bewegung eingefrorener bzw. einzufrierender wirtschaftlicher Ressourcen vorgesehen.[16]
II. Folgen bei Sanktionsverstößen
Verstöße gegen die beschriebenen Vorschriften können empfindliche Sanktionen nach sich ziehen. Diese sind in Deutschland derzeit im AWG geregelt.
1. Die Grundstraftatbestände nach dem AWG
Die §§ 17 bis 19 AWG enthalten Straf- und Bußgeldvorschriften für Verstöße gegen Exportbeschränkungen. Sinn und Zweck der Regelungen ist die Absicherung von außenwirtschaftsrechtlichen Verboten und Genehmigungsvorbehalten. Die §§ 17 und 18 AWG enthalten Strafvorschriften, während § 19 AWG die zentrale Vorschrift für Ordnungswidrigkeiten darstellt. Bei den §§ 17 bis 19 AWG handelt es sich um sogenannte Blanketttatbestände. Das heißt, die Vorschriften enthalten lediglich die Rechtsfolgen, während sich der eigentliche Tatbestand – also das als Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu ahnende Verhalten – aus dem Exportkontrollrecht, hier überwiegend aus den genannten EU-Verordnungen, ergibt. Diese Ausfüllungsvorschriften müssen bei der Auslegung herangezogen werden. Durch die Blanketttechnik kann schnell und flexibel im Verordnungsweg auf unvorhersehbar eintretende außenwirtschaftliche Erfordernisse reagiert werden.
Zu den Vorschriften im Einzelnen:
- 17 AWG regelt vorsätzliche oder leichtfertige Verstöße gegen Waffenembargos auf Grundlage von UN- oder GASP-Beschlüssen. Die Vorschrift enthält einen Strafrahmen für vorsätzliche Verstöße von einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren; im minder schweren Fall eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren. Bei leichtfertigen Verstößen sieht das Gesetz einen Strafrahmen von einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor.
- 18 AWG bezieht sich auf vorsätzliche Verstöße gegen sonstiges europäisches oder nationales Außenwirtschaftsrecht. Die Vorschrift selbst differenziert zwischen Vergehen und Verbrechen: Die Grundtatbestände nach Abs. 1 bis 5b sind Vergehen. Der Strafrahmen variiert von Geldstrafen zu Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren. Die Qualifikationstatbestände nach Abs. 7 bis 8 enthalten eine Hochstufung zum Verbrechen. Es ist eine Freiheitsstrafe nicht unter einem bzw. nicht unter zwei Jahren vorgesehen.
- 19 AWG hat die fahrlässige Begehung von Taten nach § 18 AWG oder weniger gewichtigen Vorsatztaten zum Gegenstand. In bestimmten – schwerwiegenderen – Fällen erfolgt eine Ahndung mit einer Geldbuße von bis zu fünfhunderttausend Euro. In den übrigen Fällen ist eine Ahndung mit einer Geldbuße von bis zu dreißigtausend Euro vorgesehen.
2. Ausblick auf ein EU-harmonisiertes Strafrecht bei Sanktionsverstößen
Bislang gab es zwar bereits eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Sanktionsverstöße im nationalen Recht zu sanktionieren, aber keine Harmonisierung der entsprechenden Vorschriften. Dies führte zu erheblichen Unterschieden bei der Einstufung und Sanktionierung von Verstößen zwischen den Mitgliedstaaten.
Um diesen Missstand zu beheben wurden Verstöße gegen Sanktionen in die Liste der „EU-Straftatbestände“ aufgenommen und eine entsprechende Richtlinie[17] erarbeitet. Im Dezember 2022 unterbreitete die EU-Kommission den Vorschlag einer Richtlinie zur Harmonisierung von strafrechtlichen Sanktionen für den Verstoß gegen EU-Sanktionen. Ein Jahr später einigten sich Rat und Europäisches Parlament auf politischer Ebene, woraufhin im Frühjahr 2024 die formelle Annahme durch das Europäische Parlament und den Rat erfolgte. Die Richtlinie trat am 20. Mai 2024 in Kraft. Die Mitgliedstaaten haben bis zum 20. Mai 2025 Zeit, um die Bestimmungen der überarbeiteten Richtlinie in ihre nationalen Rechtsvorschriften umzusetzen.
Die EU-Richtlinie enthält unter anderem die folgenden Regelungen:
- Sie definiert zu bestrafende Verstöße gegen EU-Sanktionen detailliert (u.a. Strafbarkeit bestimmter Formen der Sanktionsumgehung)[18];
- Sie definiert bestimmte vorsätzliche oder grob fahrlässige Handlungen, die als Straftaten eingestuft werden[19];
- Sie setzt Mindestvorgaben an die Strafbarkeit von natürlichen Personen[20]: Die Höchststrafe muss ein Freiheitsentzug sein. Bei bestimmten Taten muss das Höchstmaß eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren sein.
- Zudem sollen juristische Personen sanktioniert werden, wenn die Straftat zu ihren Gunsten von einer Person begangen wurde, die eine Führungsposition in der Organisation innehat.[21]
- Personen, die Verstöße gegen EU-Sanktionen melden, sollen nach den Vorgaben der Hinweisgeberschutz-Richtlinie geschützt werden.[22]
III. Strafrechtliche Schwierigkeiten im Sanktionskontext
Aus strafrechtlicher Sicht stellen sich immer wieder Fragen hinsichtlich der Auslegung der strafbewehrten Sanktionsvorschriften. Auf einige dieser wiederkehrenden Probleme soll im Folgenden kurz eingegangen werden.
1. Tätereigenschaft
Die Tätereigenschaft ist im Sanktionsstrafrecht nicht immer leicht zu greifen. Der § 18 AWG sieht verschiedene Tathandlungen vor, eine bedeutende Tathandlung stellt dabei das Ausführen von Waren entgegen spezifischer Sanktionsvorschriften dar. Gerade im Unternehmenskontext, wenn viele Personen an einem Ausfuhrvorgang mitwirken, kann es schwierig sein festzustellen, wer Ausführer und damit tauglicher Täter im konkreten Fall ist.
a) Ausführereigenschaft
„Ausführen“ beschreibt den tatsächlichen Vorgang des Verbringens von Waren in ein anderes Wirtschaftsgebiet. „Ausführer“ i.S.d. AWG können sowohl natürliche Personen als auch Unternehmen sein. Der Begriff ist in § 2 Abs. 2 AWG legaldefiniert als „jede natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft, die zum Zeitpunkt der Ausfuhr Vertragspartner des Empfängers in einem Drittland ist und über die Lieferung von Waren aus dem Inland in ein Drittland bestimmt.“[23]
Strafrechtlich gesehen führt also aus, wer den Ausfuhrprozess beherrscht oder (mit) steuert. Das kann, muss (und wird bei ausführenden Unternehmen regelmäßig) aber nicht die Person sein, die die Waren bei rein tatsächlicher Betrachtung selbst über die Grenze transportiert.[24] Die allgemein bekannten Regelungen zu Täterschaft und Teilnahme finden dabei grundsätzlich Anwendung. Es kommen mithin auch mittelbare Täterschaft, Unterlassungsstrafbarkeit und Beihilfe in Betracht. Somit genügt eine mittelbare Beherrschung der Ausfuhr, die in einer aktiven Steuerung oder der unterlassenen Abwendung einer rechtswidrigen Ausfuhr liegen kann.[25]
b) Sonderdelikt und strafrechtliche Vertreterhaftung
Es stellt sich sodann die Frage, ob die Ausführereigenschaft die Strafnormen zu Sonderdelikten macht. Sonderdelikte sind Straftatbestände, deren Verbotsnormen sich nur an einen bestimmten Personenkreis richten. Die Zugehörigkeit zu diesem Personenkreis stellt ein besonderes persönliches Merkmal dar. Wer diesem Kreis nicht angehört, kommt als Täter eines Sonderdelikts nicht in Betracht.[26] Können die Straftatbestände von jedermann begangen werden, handelt es sich um Allgemeindelikte. Erkennbar sind diese v.a. am Wortlaut „wer“ sowie daran, dass in den Vorschriften, auf die verwiesen wird, besondere persönliche Merkmale nicht enthalten sind.[27]
Unter den Strafvorschriften des AWG finden sich sowohl Allgemein-, als auch Sonderdelikte. Sonderdelikte des AWG sind u. a. solche, die nur von Deutschen oder Inländern i.S.d. § 2 Abs. 15 AWG begangen werden können. Sie sind auch bei den Catch-All-Klauseln zu finden. Das sind Klauseln, die die Genehmigungsbedürftigkeit eines Handelns im Außenwirtschaftsverkehr von der Kenntnis (oder Unterrichtung) von einem bestimmten Bestimmungszweck und/oder Bestimmungsland abhängig machen.[28]
Betreffend das Ausführen von Waren, Software oder Technologien gilt, dass die tatbestandliche Voraussetzung „Ausfuhr“ kein besonderes persönliches Merkmal ist; wird hingegen auf den „Ausführer“ abgestellt, liegt ein besonderes persönliches Merkmal und damit ein Sonderdelikt vor.[29] In letzterem Fall gilt im Grundsatz: Täter dieser Sonderdelikte kann nur der Ausführer, nach o.g. Legaldefinition folglich nur derjenige sein, der als Vertragspartner eines in einem Drittstaat ansässigen Empfängers über die Lieferung der Waren bestimmt. Alle übrigen Beteiligten können sich höchstens als Teilnehmer an der Haupttat des Ausführers strafbar machen.
Probleme können sich im Bereich des Außenwirtschaftsrechts indes dadurch ergeben, dass Ausführer i.S.d. AWG (also die Vertragspartner) regelmäßig Unternehmen sein werden, was zur Folge hat, dass das besondere persönliche Merkmal nur bei einer juristischen Person, nicht aber den handelnden Personen vorliegt. Die Zurechnung der strafrechtlichen Verantwortung zu einem Unternehmensvertreter erfolgt dann über § 14 StGB, der die strafrechtliche Organ- und Vertreterhaftung normiert.[30]
Als Täter eines Verstoßes gegen die Sonderdelikte des AWG nach § 14 Abs. 1 StGB kommen gesetzliche, nach Abs. 2 gewillkürte Vertreter der juristischen Person oder Personengesellschaft in Betracht. § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB betrifft juristische Personen und erfasst vertretungsberechtigte Organe (Alt. 1) – gemeint sind allein Ein-Personen-Organe[31] – und sämtliche Mitglieder von Kollegialorganen (Alt. 2). Welches Organ konkret vertretungsberechtigt ist, ergibt sich aus den für die jeweilige juristische Person geltenden Rechtsvorschriften.[32]
Über § 14 Abs. 2 AWG werden neben Organvertretern auch Vertreter erfasst, die die (Teil-)Leitung eines Betriebes (Nr. 1) oder Pflichten des Betriebsinhabers (Nr. 2) wahrnehmen und dazu durch den Betriebsleiter oder einen sonstigen Befugten beauftragt wurden. Weitere Voraussetzung für die Zurechnung des Handelns dieser Vertreter zum Betrieb ist, dass das Tätigwerden gerade aufgrund dieses Auftrages erfolgt. Leitung i.S.d. Nr. 1 bedeutet die eigenverantwortliche und selbstständige Geschäftsführung nach innen und außen.[33] Unter Nr. 2 fallen insbesondere Personen, denen Aufsichtspflichten übertragen wurden, aber auch betriebsfremde Dritte wie Rechtsanwälte oder Steuerberater, soweit sie eigenverantwortlich handeln, d. h. ihnen eine gewisse Entscheidungsfreiheit zusteht.[34]
2. Vorsatz
Steht fest, wer als „Ausführer“ tauglicher Täter ist, stellt sich regelmäßig die Frage, ob diese Person auch den notwendigen Vorsatz hatte.
a) Wissen als strafrechtliches Vorsatzelement
Fahrlässige Verstöße gegen § 17 AWG sind nicht strafbar (mit Ausnahme der Leichtfertigkeit bei § 17 Abs. 5 AWG) und nicht bußgeldbewehrt. Fahrlässige Verstöße gegen § 18 AWG sind nicht strafbar, aber nach § 19 AWG bußgeldbewehrt. Die Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit erfolgt grundsätzlich nach den von der Rechtsprechung im allgemeinen Strafrecht aufgestellten Kriterien. Somit reicht auch dolus eventualis aus, um Vorsatz zu bejahen.[35]
Ein Vorsatzproblem kann sich ergeben, wenn positives Wissen bzw. fehlendes Nichtwissen Voraussetzung einer fachrechtlichen Norm ist, welche die Blankettnorm ausfüllt (so beispielsweise in der Anti-Folter-VO (EU 2019/125) und der Dual-Use-VO (EU 2021/821)). So setzt etwa Art. 13 der Anti-Folter-VO voraus, dass der Person, die für die Durchfuhr von in Anhang III der Verordnung gelisteten Gütern verantwortlich ist, bekannt ist, dass die Güter im Bestimmungsland für Folter oder andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Strafen eingesetzt werden.[36]
Auch Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Lit. b) i) der Dual-Use-VO knüpft eine Genehmigungspflicht für die Ausfuhr nicht gelisteter Güter an das Wissen des Ausführers über die (End-)Verwendung im Bestimmungsland. Fallen Ausführer und (Mit-)Täter auseinander, stellt sich die Frage, ob für die Strafbarkeit nach § 18 AWG dann ebenfalls dolus directus 2. Grades – also positive Kenntnis der Endverwendung – in der Person des Täters notwendig ist oder dolus eventualis ausreicht. Dies ist, soweit ersichtlich, in Rechtsprechung und Literatur noch weitgehend unbehandelt.[37]
b) Irrtümer
Irrt der Täter im Zusammenhang mit den Straftatbeständen des §§ 17, 18 AWG, sind grds. die allgemeinen Bestimmungen anzuwenden: ein Irrtum über tatsächliche Umstände ist nach § 16 Abs. 1 StGB als Tatbestandsirrtum zu behandeln. Kennt der Täter alle tatsächlichen Umstände, irrt aber über deren Einordnung als rechtswidrig, liegt ein Verbotsirrtum (§ 17 StGB) vor.[38] Problematisch ist dies im Außenwirtschaftsrecht vor allem wegen der Ausgestaltung der Strafnormen als Blanketttatbestände. Für die rechtliche Bewertung des Irrtums ist in mehrerlei Hinsicht zu differenzieren:
Unstreitig handelt es sich um einen Tatbestandsirrtum, wenn der Irrtum etwa die Beschaffenheit auszuführender Güter oder deren Bestimmungsland – mithin tatsächliche Umstände – betrifft.[39] Ein Tatbestandsirrtum liegt auch dann vor, wenn sich die Fehlvorstellung auf normative Tatbestandsmerkmale bezieht, die in den Blankettnormen der §§ 17, 18 AWG selbst enthalten sind,[40] so etwa die Begriffe „Bande“ oder „gewerbsmäßig” in § 18 Abs. 7 Nr. 2 AWG.
Über diese beiden Konstellationen hinaus ist danach zu unterscheiden, ob sich die Fehlvorstellung auf die in § 18 AWG zahlreich vorkommenden Genehmigungspflichten oder die Ausfüllungsnorm bezieht.[41]
aa) Irrtum über Genehmigungspflichten
Betrifft die Fehlvorstellung das Vorliegen einer Genehmigungspflicht, unterscheidet die herrschende Meinung zwischen zwei Verbotsarten. Präventive Verbote mit Genehmigungsvorbehalt sind solche, bei denen das verbotene Verhalten grundsätzlich von der allgemeinen Handlungsfreiheit umfasst und sozialadäquat ist. Die Pflicht, eine Genehmigung einzuholen, dient allein der Kontrolle potenziell auftretender Gefahren. Die Notwendigkeit der Genehmigung soll in diesem Fall Tatbestandsmerkmal sein, sodass bei Unkenntnis von der Genehmigungspflicht ein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 StGB die Folge ist. Ein präventives Verbot ist z.B. in Art. 3 Abs. 1 der Dual-Use-VO vorgesehen.[42] Danach dürfen die in Anhang I der VO gelisteten Güter nur mit Genehmigung ausgeführt werden. Diese Güter, bspw. Bedienungseinrichtungen für Kernreaktoren, sind nicht ausschließlich für militärische Nutzung konstruiert, können aber auch im militärischen Zusammenhang verwendet werden (daher “dual use”, dt. “doppelter Verwendungszweck”). Sie können sowohl zum – nach derzeitigem gesellschaftlichem Verständnis als sozialadäquat einzustufenden – Herstellung von Atomkraft, als auch zur Herstellung von Atomwaffen genutzt werden.
Präventive Verbote, die sich explizit gegen Russland richten, sind in der bereits genannten Russland-VO enthalten. Bspw. macht dessen Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit der Anlage II den Verkauf, die Lieferung und Ausfuhr bestimmter Materialien für die Ölindustrie, wie Rohre für Öl- und Gasfernlieferungen genehmigungspflichtig. Auch der Handel mit diesen Gütern ist nicht aus sich heraus problematisch, sondern wird es erst aufgrund der politischen Entscheidung, die genannten Güter in das Embargo aufzunehmen.
Dem gegenüber stehen repressive Verbote mit Befreiungsvorbehalt, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die verbotene Handlung grundsätzlich als problematisch einzustufen ist. Nur im Einzelfall kann bei Überwiegen entgegenstehender Interessen eine Befreiung von dem Verbot erteilt werden, die rechtfertigend wirkt. Die Notwendigkeit einer Befreiung ist nach der herrschenden Meinung in der Literatur kein Tatbestandsmerkmal; die Unkenntnis darüber ist als Verbotsirrtum zu qualifizieren.[43] Ein solches repressives Verbot findet sich etwa in Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 der Anti-Folter-VO jeweils i.V.m. der dazugehörigen Anlage II. Diese verbieten die Ein- und Ausfuhr von Geräten zur Folter und unmenschlicher Behandlung, etwa von Fallbeilen, Daumenschrauben etc. Der Handel mit derartigen Geräten ist schon wegen derer nahezu ausschließlichen Einsatzmöglichkeit zur Tötung oder Folterung von Menschen als gesellschaftlich unerwünscht einzustufen.[44] Von den Verboten kann indes nach den jeweiligen Abs. 2 eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden, wenn sichergestellt ist, dass die Güter aufgrund ihrer historischen Bedeutung ausschließlich zur Ausstellung in öffentlichen Museen Verwendung finden. In diesem Falle überwiegt das Interesse an Aufklärung und Bildung der Bevölkerung das bei gesicherter Nutzung in Museen geringe Risiko der Verwendung gegen Menschen.
Die Unterscheidung ergibt sich aus der hinter § 17 StGB stehenden Annahme, dass eine Person, der alle tatsächlichen Umstände ihres Handelns bekannt sind, bei derartigen Verhaltensweisen von sich aus in der Lage ist, die Rechtmäßigkeit eben jenes Verhaltens zu hinterfragen. Denn repressive Verbote zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie unabhängig von dem Genehmigungserfordernis bereits einen strafwürdigen Unrechtsgehalt aufweisen. Allein, weil das Verhalten als unerwünscht eingeordnet wird, kann einer Person abverlangt werden, dass sie das korrespondierende – wenn auch nicht rechtliche, so doch jedenfalls sozial-ethische – Verbot erkennt. Anders liegt der Fall bei präventiven Verboten, die ohne die Voraussetzung, dass gegen die Pflicht zur Einholung einer Genehmigung verstoßen wurde, keinen oder allenfalls einen schwachen, wegen des ultima-ratio-Prinzips für eine strafrechtliche Sanktionierung nicht ausreichenden Unrechtsgehalt aufweisen würden. Ist ein Verhalten – etwa die Ausfuhr von Waren in Drittstaaten – jedoch grundsätzlich sozial gebilligt und allein aufgrund politischer Entscheidungen mit einem Genehmigungsvorbehalt versehen und ohne das Vorliegen der entsprechenden Genehmigung verboten, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Verbot erkannt wird. Es ist daher konsequent, in solchen Fällen einen den Vorsatz ausschließenden Irrtum anzunehmen.[45] Soweit man von bestimmten Personengruppen, die beispielsweise regelmäßig mit Warenexporten zu tun haben, erwarten kann, sich über entsprechende Verbote zu informieren, bleibt eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit unberührt (§ 16 Abs. 1 S. 2 StGB).[46] Freilich kann die Grenzziehung zwischen sozialadäquaten und sozialschädlichen Exporten gerade im außenwirtschaftlichen Kontext und bei wechselnder politischer Stimmungslage in der Sache schwierig sein.
bb) Irrtum über Ausfüllungsnorm
Bezieht sich der Irrtum auf die Ausfüllungsnorm, auf die in §§ 17, 18 AWG verwiesen wird, ist umstritten, ob es sich um einen Tatbestands- oder einen Verbotsirrtum handelt. Nach der Rechtsprechung des BGH noch zur Vorgängernorm § 34 AWG a.F. sind solche Irrtümer immer als Verbotsirrtümer zu klassifizieren.[47]
In der Literatur wird weitgehend vertreten, dass die Ausfüllungsnormen jedenfalls teilweise auch Teil des Tatbestandes der Blankettnorm sind. Strittig ist diesbezüglich, ob nur der Regelungsgehalt der Ausfüllungsnormen zum Tatbestand gehört oder darüber hinaus auch deren Existenz und Reichweite.[48] Nur soweit man die Ausfüllungsnorm in den Tatbestand des Blankettgesetzes einbezieht, ist bei Fehlvorstellungen ein Vorsatzausschluss über § 16 Abs. 1 StGB möglich.
Vorzugswürdig ist die Ansicht, die allein den Inhalt der ausfüllenden Norm als Bestandteil des Tatbestandes und damit vom Vorsatz erfasst ansieht, was in der Funktionsweise der Blanketttechnik begründet liegt. Die Blankett- und die Ausfüllungsnorm sind zusammen zu lesen, sie bilden einen einheitlichen Gesamttatbestand. Daraus ergibt sich, dass sich der Vorsatz auf alle in der ausfüllenden Norm enthaltenen Voraussetzungen erstrecken muss. Fehlt der Vorsatz, weil der Täter sich über eine solche Voraussetzung keine oder falsche Vorstellungen macht, ist dies ein typischer Fall des § 16 Abs. 1 StGB. Die reine Existenz und Reichweite der Ausfüllungsnorm ist hingegen keine in ihrem Tatbestand enthaltene Voraussetzung, die in die Blankettnorm hineinzulesen wäre. Auf sie bezogen muss kein Vorsatz vorliegen. Weiß der Täter nicht um die Existenz der Ausfüllungsnorm, ist dies (abgesehen von der Frage der Vermeidbarkeit des Irrtums) ebenso zu beurteilen, als wüsste er nicht um die Existenz eines Tötungsverbotes. Es fehlt dann am Unrechtsbewusstsein, was einen Verbotsirrtum nach § 17 StGB begründet.[49]
c) Wissenszurechnung
Die dargelegten Probleme können bereits bei einer handelnden (Leitungs-)Person zahlreiche Fragen hervorrufen. Gerade bei Sanktionsverstößen in Unternehmenskonstellationen, bei denen zahlreiche Personen oder Abteilungen an einem Ausfuhrvorgang beteiligt sind, kann nicht zuletzt die Wissenszurechnung im Unternehmen schwierig sein, um in der Person des Ausführers die notwendigen Vorsatzelemente zu vereinen. Dies kann der Fall sein, wenn das Wissen verschiedener Unternehmenszugehöriger (bspw. des Kundenmitarbeiters und des Ausfuhrverantwortlichen) auseinanderfällt.
Soweit ersichtlich ist das Problem der auseinanderfallenden Vorstellungen und Kenntnisgrade in Literatur und Rechtsprechung bisher nicht aufgearbeitet worden. Die Lösung hat sich jedenfalls an der allgemeinen strafrechtlichen Dogmatik zur Wissenszurechnung zu orientieren.
Die zuvor dargestellten Rechtsfragen entfalten für Verstöße gegen außenwirtschaftliche Sanktionen gegen Russland jedenfalls in komplexen Sonderkonstellationen weiterhin Relevanz. Derzeit wird man insbesondere Irrtümer über die Existenz (Verbotsirrtum) und den Inhalt (Tatbestandsirrtum) von außenwirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland, die als Ausfüllungsnorm zu den Blanketttatbeständen des AWG fungieren, streng zu beurteilen haben, weil über die Medien hinlänglich bekannt gemacht wurde, dass die Europäische Union eine Reihe von Maßnahmen gegen Russland, russische Staatsangehörige und Unternehmen beschlossen hat, die längst nicht mehr nur Waren und Güter betreffen, die für militärische Zwecke verwendet werden können, sondern weit darüber hinaus gehen. Vor allem Personen, die im Außenhandel aktiv sind, ist seit Bekanntwerden der ersten verschärften Sanktionen gegen Russland ein besonderes Maß an Sorgfalt abzuverlangen. Nichtsdestotrotz gibt es aufgrund der enormen Reichweite der Sanktionen weiterhin Grenzbereiche (z.B. betreffend Dienstleistungen oder Softwarelieferung), die für die Anwender erhebliche Schwierigkeiten hervorrufen und damit Raum für Vorsatzfragen lassen.
Weiterhin von Bedeutung sind die dargestellten Fragen zudem für Sachverhalte, die sich bereits vor Beginn des Russland-Ukraine-Krieges aber nach dem Erlass des Waffenembargos nach der Krim-Annexion im Sommer 2014 ereignet haben sowie gleichermaßen für Verstöße gegen Sanktionen zulasten anderer Staaten.
Der Beitrag wird in der vierten Ausgabe der WiJ (WiJ 4-2024) fortgesetzt. In Teil 2 des Beitrages wird es um dem Umgang mit der Umgehung von Sanktionen gehen.
[1] Verordnung (EU) Nr. 269/2014 des Rates vom 17. März 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen.
[2] Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren.
[3] Verordnung (EG) Nr. 765/2006 des Rates vom 18. Mai 2006 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Belarus und der Beteiligung von Belarus an der Aggression Russlands gegen die Ukraine.
[4] Art. 13 lit. a), d) Russland-VO.
[5] Art. 13 lit. e) Russland-VO.
[6] Art. 3g Abs. 1 lit. a) Russland-VO.
[7] Art. 3m Abs. 1 Russland-VO.
[8] Art. 3i Abs. 1 i.V.m. Anhang XXI Russland-VO.
[9] Art. 2 Abs. 1 Russland-VO.
[10] Art. 3h Abs. 1 Russland-VO.
[11] Bspw. Art. 2 Abs. 2 Russland-VO.
[12] Bspw. Art 2 Abs. 2 Russland-VO.
[13] Art. 2 Abs. 1 Finanzsanktions-VO.
[14] Art. 2 Abs. 2 Finanzsanktions-VO.
[15] Bspw. können gem. Art. 6 d) Finanzsanktions-VO die zuständigen Behörden die Freigabe gefrorener wirtschaftlicher Ressourcen genehmigen, wenn dies zur Abwendung schwerer Schäden für die Umwelt, Sicherheit oder menschliche Gesundheit erforderlich ist.
[16] Art. 8 Finanzsanktions-VO.
[17] Richtlinie (EU) 2024/1226 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. April 2024 zur Definition von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstößen gegen restriktive Maßnahmen der Union und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2018/1673.
[18] Vgl. Art. 3 Abs. 1 und Ausnahmen in Art. 3 Abs. 4, 5, Strafbarkeit der Anstiftung und Beihilfe: Art. 4 Abs. 1, Versuchsstrafbarkeit: Art. 4 Abs. 2 Richtlinie (EU) Nr. 2024/1226.
[19] Art. 3 Abs. 1 lit. e), Abs. 3 Richtlinie (EU) Nr. 2024/1226.
[20] Art. 5 Richtlinie (EU) Nr. 2024/1226.
[21] Zu den Strafbarkeitsvoraussetzungen vgl. Art. 6 Abs. 1, Abs. 2, zu den Sanktionen vgl. Art. 7 Richtlinie (EU) Nr. 2024/1226. Die Formulierung in Art. 6 entspricht der Standardformulierung für Regelungen zur Unternehmensstrafbarkeit in EU-Richtlinien. Sie findet sich nahezu wortgleich z. B. in den folgenden Richtlinien: Richtlinie (EU) 2014/57/EU vom 16. April 2014 über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (Marktmissbrauchsrichtlinie); Richtlinie (EU) 2017/1371 vom 5. Juli 2017 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug; Richtlinie (EU) 2018/1673 vom 23. Oktober 2018 über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche.
[22] Art. 14 Richtlinie (EU) Nr. 2024/1226.
[23] Bei der Ausfuhr von Software oder Technologien kommt es für die „Ausführer“-Eigenschaft auf das Bestimmen über die Übertragung einschließlich der Bereitstellung derselben auf elektronischem Weg an.
[24] BGH, Beschluss vom 28. März 2007 – 5 StR 225/06, Rn. 14 f., beck-online = NJW 2007, 1893 (1984 f.); LG Kiel, Urteil von 3. April 2019 – 3 KLs 3/18, Rn. 88, beck-online = BeckRS 2019, 56571; BeckOK AußenWirtschaftsR/Simon/R. Frau, 11. Ed. 1.2.2024, AWG § 2 Rn. 6a.
[25] BGH, Urteil vom 20. August 1992 –StR 229/92 = NJW 1992, 3112; Wabnitz/Janovsky/Hoffmann, WirtschaftsStrafR-HdB,5. Aufl- 2020, Kap. 24 Rn. 42; Hocke/Sachs/Pelz/Pelz, AWG, 2. Aufl. 2020, vor §§ 17 ff. Rn. 40 ff.
[26] Grützner/Jakob, Compliance von A-Z, Sonderdelikt MüKoStGB/Wagner, 4. Aufl. 2023, AWG vor § 17 Rn. 57.
[27] BeckOK AußenWirtschaftsR/Schwendinger, 11. Ed. 1.2.2024, AWG § 17 Rn. 38.
[28] BeckOK AußenWirtschaftsR/Schwendinger, 11. Ed. 1.2.2024, AWG § 17 Rn. 39 f.; MüKoStGB/Wagner, AWG vor § 17 Rn. 58, 60.
[29] BGH, Beschluss vom 23. April 2010 – AK 2/10 = BGHSt 55, 94 Rn. 13 = NJW 2010, 2370; BeckOK AußenWirtschaftsR/Schwendinger, 11. Ed. 1.2.2024, AWG § 17 Rn. 39 f.; a.A.: MüKoStGB/Joecks/Scheinfeld, 4. Aufl. 2020, StGB § 25 Rn. 53; Graf/Jäger/Wittig/Cornelius, 3. Aufl. 2024, AWG vor §§ 17 ff. Rn. 62..
[30] BeckOK AußenWirtschaftsR/Schwendinger, 11. Ed. 1.2.2024, AWG § 17 Rn. 41; MüKoStGB/Wagner, AWG vor § 17 Rn. 57; Wolffgang/Simonsen/Rogmann/Morweiser, AWG, 43. EL März 2015, vor §§ 17, 18, Rn. 23.
[31] MüKoStGB/Radtke, 4. Aufl. 2020, § 14 Rn. 79.
[32] Dies ist etwa bei rechtsfähigen Vereinen und Aktiengesellschaften der Vorstand (§ 26 BGB, § 76 AktG), für die GmbH nach § 35 GmbHG der Geschäftsführer. Taugliche Täter eines Verstoßes durch eine rechtsfähige Personengesellschaft können nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 AWG vertretungsberechtigte Gesellschafter sein, so bspw. sämtliche Gesellschafter einer OHG (§ 125 HBG, ggf. modifiziert durch den Gesellschaftervertrag) oder die Komplementäre einer KG (§§ 161, 170 HBG). (MüKoStGB/Radtke, 4. Aufl. 2020, § 14 Rn. 87). Über § 14 Abs. 1 Nr. 3 AWG wird die Strafbarkeit von Außenwirtschaftsverstößen auf weitere gesetzliche Vertreter erstreckt, was bezogen auf Unternehmen insbes. der Insolvenzverwalter nach §§ 56 ff. InsO sein kann.
[33] MüKoStGB/Radtke, 4. Aufl. 2020, § 14 Rn. 95; Schönke/Schröder/Perron/Eisele, 30. Aufl. 2019, § 14 Rn. 31; BGH, Urteil vom 04.07.1989 – VI ZR 23/89 = NJW-RR 1989, 1185/1186.
[34] MüKoStGB/Radtke, 4. Aufl. 2020, StGB § 14 Rn. 100; SSW/Bosch, § 14 Rn. 17.
[35] Graf/Jäger/Wittig/Cornelius, 3. Aufl. 2024, AWG, § 17 Rn. 40; MüKoStGB/Wagner, 4. Aufl. 2023, AWG § 17 Rn. 75
[36] Siehe zu Strafbarkeitslücken durch Unbestimmtheit der Blankettnormen insbesondere in Bezug auf die Anti-Folter-VO: Stein/Louca, AW-Prax 11/2019, 450.
[37] Einzig dazu: MüKoStGB/Wagner, 4. Aufl. 2023, AWG, vor § 17 Rn. 69, der, ohne seine Position zu begründen, in dieser Konstellation für die Bejahung einer Strafbarkeit nach §§ 17, 18 AWG dolus directus 2. Grades voraussetzt. Angesichts der strafrechtlichen Relevanz, ist dieser Meinung zuzustimmen.
[38] MüKoStGB/Wagner, 4. Aufl. 2020, AWG, vor § 17 Rn.70.
[39] BeckOK AußenWirtschaftsR/Schwendinger, 11. Ed. 1.2.2024, AWG § 17 Rn. 30; MüKoStGB/Wagner, 4. Aufl. 2020, AWG vor § 17 Rn. 70; Achenbach/Ransiek/Rönnau/Junck/Kirch-Heim, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 6. Aufl. 2024, Kap. 3 Rn. 99 Dorsch/Stein/Louca, Zollrecht, 224. EL April 2024, AWG, vor §§ 17 ff. Rn. 16.
[40] Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schuster, 30. Aufl. 2019, StGB § 15 Rn. 103; a.A.: NK-StGB/Neumann, 6. Aufl. 2023, StGB § 17 Rn. 95a, der nicht zwischen normativen Tatbestandsmerkmalen und Blankettnormen unterscheidet.
[41] Sich mit diesem Punkt sowie vertieft mit Irrtums- und irrtumsnahen Konstellationen im Außenwirtschafsrecht auseinandersetzend: Louca/Gründer, WiJ 02/2024, 66.
[42] So auch MüKoStGB/Wagner, 4. Aufl. 2023, AWG, vor § 17 Rn. 43, der allerdings § 18 Abs. 2 bis 5 AWG in Bezug nimmt und damit auch den § 18 Abs. 4 AWG mit dem Verweis auf die Anti-Folter-VO einschließt, von der hier im weiteren Verlauf vertreten wird, dass es sich um ein repressives Verbot handelt; Wolfgang/Simonsen/Rogmann/Morweiser, AWG, 43. EL März 2015, vor §§ 17, 18 Rn. 134; Bieneck/Pathe, AußenwirtschaftsR-HdB, 1. Aufl. 1998, § 5 Rn. 2a.
[43] zum Ganzen: BGH, Urteil vom 22.07.1993 – 4 StR 322/93 = NStZ 1993, 594 (595); Rengier, ZStW 101 (1989), 874 (874 f., 884); Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, 30. Aufl. 2019, vor §§ 32 ff Rn. 61 ff.; Erbs/Kohlhaas/Diemer, 250. EL Dezember 2024, AWG § 17 Rn. 42; Mehle, 1. Aufl. 2022, AWG, vor § 17 Rn. 27; MüKoStGB/Wagner, 4. Aufl. 2020, AWG vor § 17 Rn. 43, 70; NK-StGB/Neumann, 6. Aufl. 2023, StGB § 17 Rn. 95; Dorsch/Stein/Louca, Zollrecht, 224. EL, April 2024, AWG, vor §§ 17 ff. Rn. 16; Wolffgang/Simonsen/Rogmann/Morweiser, AWG, 43. EL März 2015, vor §§ 17, 18, Rn. 154 ff.; die Differenzierung als willkürlich ablehnend: Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, 30. Aufl. 2019, § 17 Rn. 12a.
[44] Vgl. zu Kriegswaffen: BGH, Urteil vom 22.07.1993 – 4 StR 322/93 = NStZ 1993, 594 (595) m. abl. Anm. Puppe;Rengier, ZStW 101 (1989), 874 (880).
[45] Vgl. Rengier, ZStW 101 (1989), 874, 878 f., der am Bsp. des Betreibens kerntechnischer Anlagen ebf. auf die gesellschaftliche Wertung abstellt.
[46] Erbs/Kohlhaas/Diemer, 25. EL Dez. 2023, AWG vor § 17 Rn. 5; MüKoStGB/Wagner, 4. Aufl. 2020, AWG vor § 17 Rn. 70; Wolffgang/Simonsen/Rogmann/Morweiser, AWG, 43. EL März 2015, vor §§ 17, 18 Rn. 157; BVerfG, Beschluss vom 21.07.1992 – 2 BvR 858/92 = NJW 1993, 1909/ 1910; BVerfG, Beschluss vom 25.10.1991 – 2 BvR 374/90 = NJW 1992, 2624.
[47] BGH, Beschluss vom 15.11.2012 – 3 StR 295/12, Rn. 3, juris = NZWiSt 2013, 113 m.w.N..
[48] M. zahlreichen Nachw. zu beiden Ansichten: Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schuster, 30. Aufl. 2019, StGB § 15 Rn. 99; für eine einzelfallbezogene Lösung plädierend: Dorsch/Stein/Louca, Zollrecht, 224. EL, April 2024, AWG, vor §§ 17 ff. Rn. 17.
[49] ebs.: BeckOK AußenWirtschaftsR/Schwendinger, 11. Ed. 1.2.2024, AWG § 17 Rn. 32; Graf/Jäger/Wittig/Cornelius, AWG vor § 17 Rn. 98, 100; MüKoStGB/Wagner, AWG vor § 17 Rn. 70; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schuster, 30. Aufl. 2019, StGB § 15 Rn. 101; a.A: NK-StGB/Puppe, StGB, 3. Lfg. 31.12.1995, § 16 Rn. 82 ff.