Raimund Weyand

Wichtige Entscheidungen zum Insolvenzstrafrecht

I. Strafprozessrecht

1. Durchsuchung und Beschlagnahme bei Dritten – §§ 97, 103 StPO

Das für die geschützten Berufe (hier: ein Notar) geltende Beschlagnahmeverbot aus § 97 StPO erfasst nur das Vertrauensverhältnis zwischen dem Zeugnisverweigerungsberechtigten und dem Mandanten, wenn dieser der Beschuldigte ist. Wird dem Beschuldigten eine Straftat im Zusammenhang mit der Vertretung einer juristischen Person vorgeworfen, dann unterliegen Beweismittel beim Berufsgeheimnisträger, der (nur) die juristische Person berät oder vertritt, nicht dem Beschlagnahmeverbot. Zeichnet sich aufgrund tatsachenbasierter Anhaltspunkte objektiv ab, dass die juristische Person als Adressatin einer Geldbuße nach § 30 OWiG oder als Einziehungsbeteiligte gemäß § 424 StPO zu beteiligen wäre, befindet sich die juristische Person in einer beschuldigtenähnlichen Verfahrensstellung und Verteidigungsunterlagen, die auf Veranlassung der und für die juristische Person vom Berufsgeheimnisträger angefertigt wurden, sind beschlagnahmefrei. Täuscht ein Urkundsbeteiligter den Notar anlässlich einer Beurkundung über Tatsachen und bewirkt er dadurch eine falsche Beurkundung im Sinne des § 271 StGB sind die Urschrift sowie Abschriften und Ausfertigungen der Urkunden gemäß § 97 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht beschlagnahmefrei. Gleiches gilt für durch den Notar gefertigte Kopien gefälschter und bei der Beurkundung vorgelegter Personaldokumente. § 97 StPO stellt nach § 160a Abs. 5 StPO eine Spezialregelung für Beschlagnahmen dar, die § 160a StPO grundsätzlich verdrängt. Die Zulässigkeit von Beschlagnahmen bei Berufsgeheimnisträgern ist danach allein an § 97 StPO zu messen. Nichtverdächtigen Betroffenen, insbesondere Berufsgeheimnisträgern, ist zumindest vor der Vollstreckung der Durchsuchung in der Regel Gelegenheit zur freiwilligen Herausgabe des sicherzustellenden Gegenstandes zu geben.

LG Nürnberg/Fürth, Beschl. v. 22.11.2024 – 18 Qs 17/24, NotBZ 2025, 39.

2. Durchsuchungsmaßnahme bei Berufsausübungsgesellschaften – § 103 StPO

Ein in einem Verfahren wegen Steuerhinterziehung (§ 370 AO) ergangener Durchsuchungsbeschluss erfüllt die gebotenen rechtsstaatlichen Mindestanforderungen nur dann, wenn nach seiner Begründung klar ist, ob und wann der Beschuldigte unrichtige Angaben gemacht hat oder ob die (wann und mit welchem Inhalt auch immer) ergangenen Steuerbescheide wegen Nichterklärung aufgrund von Schätzungen erlassen wurden. Sollten unrichtige Angaben gemacht worden sein, muss klar sein, wann was erklärt wurde und zu welcher Steuerfestsetzung dies geführt hat. Das Steuergeheimnis (§ 30 AO) steht bei derartigen Beschlüssen einer Sachverhaltsbeschreibung nicht grundsätzlich entgegen. Steuerdaten des Beschuldigten sollen im Rahmen der Beschreibung des steuerstrafrechtlichen Vorwurfs Dritten aber nur insoweit offenbart werden, als dieses notwendig ist. Mindestens müssen aber Grund, Ziel und Zweck der Durchsuchungsmaßnahmen nachvollziehbar dargestellt sein. Haben sich Rechtsanwälte mit Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern in einer Berufsausübungsgesellschaft (§ 59b BRAO) verbunden oder umgekehrt Steuerberater und Steuerbevollmächtigte sich mit Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer sowie mit Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern zu einer Berufsausübungsgesellschaft (§ 49 StBerG) unter Nutzung gemeinsamer Räumlichkeiten zusammengeschlossen, und ist im konkreten Fall bei einer Durchsuchungsmaßnahme lediglich ein Vertrauensverhältnis zu einem Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer betroffen sein kann, richtet sich diese Ermittlungsmaßnahme nicht gegen einen Rechtsanwalt und ist nicht nach § 160a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 4 StPO unzulässig.

LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 8.1.2025 – 18 Qs 27, 18 Qs 28/24, n.v. Zu der Entscheidung s. Knierim, FD-StrafR 2025, 802307.

 

II. Materielles Strafrecht

1. Spannungsverhältnis Ehrverletzungsdelikte – Meinungsfreiheit – § 185 ff. StGB, Art. 5 GG

Zum wiederholten Male hat das BVerfG strafgerichtliche Entscheidungen aufgehoben und die besondere Bedeutung der Meinungsfreiheit im Spannungsverhältnis zu den §§ 185 ff. StGB hervorgehoben. Die Beschwerdeführerin war ersichtlich mit den Leistungen ihres bisherigen Rechtsbeistandes unzufrieden und hatte diesem in Emails Inkompetenz und betrügerisches Verhalten vorgeworfen. AG und LG verurteilten die Angeklagte wegen Beleidigung; ihre Revision wurde durch das OLG formelhaft verworfen. Zu Unrecht: Das BVerfG verweist auf seine bisherige Rechtsprechung, nach der zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen bei der Deutung einer Äußerung gehört, dass sie unter Einbeziehung ihres Kontextes ausgelegt und ihr kein Sinn zugemessen wird, den sie objektiv nicht haben kann. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist hiernach weder die subjektive Absicht der sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern grundsätzlich der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums hat. Die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils wird den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht. Eine Ausnahme gilt nur, wenn es sich um Äußerungen handelt, die sich als Angriff auf die Menschenwürde, Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Im Kontext rechtlicher Auseinandersetzungen („Kampf um das Recht“) ist es – wie hier vom BVerfG gebilligt – insbesondere erlaubt, besonders starke und eindringliche Ausdrücke zu benutzen, um Rechtspositionen und Anliegen zu unterstreichen.

BVerfG, Beschl. v. 16.1.2025 – 1 BvR 1182/24, n.v. zu der Problematik s. etwa BVerfG, Beschl. v. 4.4.2024 – 1 BvR 820/24, NStZ-RR 2024, 168 m.w.N., BVerfG, Beschl. v. 19.5.2020 – 1 BvR 2397/19, NStZ-RR 2020, 368, sowie BVerfG, Beschl. v. 9.2.2022 – 1 BvR 2588/20, NStZ 2022, 734 („dämlicher Staatsanwalt“).

2. Untreue bei Vorgesellschaft – § 266 StGB

Die noch fehlende Eintragung in das Handelsregister hat bei einer Vorgesellschaft zur Folge, dass bei Verstößen gegen § 266 StGB für das geschützte Vermögen und ein etwa tatbestandsausschließendes Einverständnis auf die Gründungsgesellschafter abzustellen ist. Dass sich das Vermögen, auf das der Täter zugreift, aus Spendengeld speist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Untreuetatbestand ist nur dann durch das Merkmal einer gravierenden Pflichtverletzung einzuschränken, wenn es Anlass gibt, dem Handelnden – hier einem als Geschäftsführer einer Vorgesellschaft tätigen Rechtsanwalt, der sich eigenmächtig erhebliche Vergütungen auszahlte – mit Blick auf den Bereich, in dem er tätig wird, einen Ermessensspielraum zuzubilligen.

OLG Braunschweig, Beschl. v. 5.11.2024 – 1 Ws 46/24, JuS 2025, 185.

Zur Frage der gravierenden Pflichtverletzung s. bereits BGH, Urt. v. 24.7.1991 – 4 StR 258/91, StV 1992, 465. S. auch OLG Celle, Beschl. v. 23.8.2012 – 1 Ws 248, 12, wistra 2013, 37.

3. Abgrenzung Bankrott – Verletzung der Buchführungspflicht – §§ 283 Abs.1 Nr. 7, 283b Abs. 1 Nr. 3b StGB

Werden Bilanzen außerhalb der Unternehmenskrise nicht erstellt, kommt lediglich eine Strafbarkeit wegen Verletzung der Buchführungsfrist in Frage, nicht aber wegen Bankrotts. Wer bereits mehrfach als Geschäftsführer einer GmbH tätig war, kann sich nicht auf die rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit einer Bilanzerstellung berufen, weil er infolge dieser Tätigkeit in der Lage ist, die Bilanzen selbst anzufertigen.

BayObLG, Beschl. v. 20.11.2024 – 206 StRR 394/24, ZRI 2025, 99.

4. Schuldnerbegünstigung – § 283d StGB

Ist der Schuldner im Fall des § 283d StGB eine GmbH, kommt es für die Einwilligung (§ 283d Abs. 1 Var. 1 StGB) ins Beiseiteschaffen auf deren Geschäftsführer und nicht auf die Gesellschafter an.

LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 18.10.2024 – 12 NBs 503 Js 2133/21, ZInsO 2024, 2572. Krit. hierzu Merschmöller, FD-StrafR 2024, 823637.

 

III. Zivilrechtliche Entscheidung mit potentieller strafrechtlicher Relevanz

1. Kreditwürdigkeitsprüfung – § 505d BGB

Die Nichtmitteilung einer rechtskräftigen mehrjährigen Haftstrafe bei Beantragung eines Darlehens stellt in der Regel einen Umstand dar, der zum Sanktionsausschluss des § 505d Abs. 3 BGB führt. In der entschiedenen Sache hatte der Betroffene unmittelbar vor Antritt einer 2 ½ jährigen Haftstrafe antragsgemäß ein Darlehen erhalten, dessen Raten er haftbedingt nicht erbringen konnte. Der Senat weist darauf hin, dass es einem Darlehensgeber nicht nur darauf ankommt, welches (Lohn-)einkommen der Darlehensnehmer in der Vergangenheit erzielt hat, sondern auch, ob dieses (auch) in Zukunft erzielt wird, um die fälligen Raten bedienen zu können. Dies sei einem Kreditaspiranten regelmäßig bewusst.

OLG Oldenburg, Beschl. v. 11.9.2024 – 8 U 78/24, BKR 2025, 177 m. zust. Anm. Koslowski.

2. Gehilfenhaftung im Zivilrecht – §§ 823 Abs. 2, 826 BGB

Die Gehilfenhaftung richtet sich auch im Zivilrecht nach strafrechtlichen Grundsätzen. Gehilfe ist, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat Hilfe leistet (§ 27 Abs. 2 StGB). Beihilfe ist danach die vorsätzliche Hilfeleistung zu einer Vorsatztat eines anderen. Objektiv muss die Beihilfehandlung für den Taterfolg nicht ursächlich gewesen sein; sie muss die tatbestandsmäßige Handlung lediglich gefördert, erleichtert oder den Täter in seinem Entschluss bestärkt haben. Gehilfenvorsatz liegt vor, wenn der Gehilfe zwar nicht alle Einzelheiten, aber dennoch die zentralen Merk-male der Haupttat sowie deren Förderung durch sein Verhalten kennt oder zumindest i.S. bedingten Vorsatzes für möglich hält und in Kauf nimmt. In subjektiver Hinsicht sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden: Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten. In diesem Fall verliert sein Tun stets den „Alltagscharakter“; es ist als Solidarisierung mit dem Täter zu deuten und dann auch nicht mehr als sozialadäquat anzusehen. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ. Ob und welche Anhaltspunkte es gibt, die es als sehr oder jedenfalls überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen, dass die gesamte durch das Tun des möglichen Gehilfen geförderte Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten angelegt war, hat das Gericht einzelfallbezogen im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller für und gegen den Betroffenen sprechenden Umstände zu prüfen. Liegen mehrere Beweisanzeichen vor, genügt es nicht, diese jeweils nur einzeln abzuhandeln. Denn der Beweiswert einzelner Indizien ergibt sich regelmäßig erst aus dem Zusammenhang mit anderen Hilfstatsachen, mithin im Rahmen einer stets vorzunehmenden Gesamtschau.

BGH, Urt. v. 7.11.2024 – III ZR 79/23, ZIP 2024, 2939.

Zur „professionellen Adäquanz“ vgl. grundlegend bereits BGH, Urt. v. 1.8.2000 – 5 StR 624/99, wistra 2000, 340. S. zudem etwa BGH, Urt. v. 19.12.2017 – 1 StR 56/17, ZInsO 2018, 1956 m. Anm. Weyand. Zu der Problematik vgl. auch Köllner, NZI 2024, 809. S. ferner BGH, Urt. v. 11.7.2024 – III ZR 176/22, ZIP 2024, 2540, sowie BGH, Urt. v. 26.8.2021 – III ZR 189/19, NJW 2022, 705.

3. Ordnungsgeldverfahren und Übermaßverbot – § 335 HGB

In dem Ordnungsgeldverfahren gemäß § 335 HGB bleibt eine Personengesellschaft des Handelsrechts im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren trotz einer nach Festsetzung des Ordnungsgeldes erfolgten Löschung im Handelsregister weiterhin beteiligtenfähig (§ 8 FamFG) um die Berechtigung der festgesetzten Ordnungsgelder in dem dafür vorgesehenen gerichtlichen Verfahren überprüfen zu lassen. Bei kapitalmarktorientierten Unternehmen gewähren die Höchstgrenzen gemäß § 335 Abs. 1a HGB dem Bundesamt für Justiz bei der Festsetzung von Ordnungsgeldern einen weiten Ermessensspielraum. Dieser Spielraum gilt jedoch nicht schrankenlos, sondern findet seine Grenze in dem grundgesetzlich begründeten Übermaßverbot. Das Übermaßverbot ist jedenfalls dann verletzt, wenn die in den Jahresabschlussberichten durch einen Wirtschaftsprüfer attestierte finanzielle Situation des Unternehmens nicht ansatzweise erkennen lässt, dass die festgesetzten Ordnungsgelder ohne vollständige Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz leistbar sind und damit der Schutzbereich des Art. 12 GG berührt ist. Befinden sich die für eine Ermessensentscheidung benötigten Unterlagen in Form von Jahresabschlussberichten bei Akten kann der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren in der Sache selbst entscheiden (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG), auch wenn diese nicht Gegenstand der angefochtenen Beschwerdeentscheidung waren.

OLG Köln, Beschl. v. 4.9.2024 – I-28 Wx 4/24, BB 2024, 2414 m. zust. Anm. Lenenbach, ZWH 2024, 395.

4. Kriterien faktischer Geschäftsführung – § 64 GmbHG a.F.

Auch faktische Geschäftsführer unterliegen den Haftungsfolgen gemäß § 64 Satz 1 und 2 GmbHG a.F. in analoger Anwendung. Für die Beurteilung der Frage, ob jemand faktisch wie ein Organmitglied gehandelt und als Konsequenz seines Verhaltens sich wie ein nach dem Gesetz bestelltes Organmitglied zu verantworten hat, kommt es auf das Gesamterscheinungsbild seines Auftretens an. Es ist nicht erforderlich, dass der Handelnde die gesetzliche Geschäftsführung völlig verdrängt. Entscheidend ist, dass der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft im Außenverhältnis maßgeblich in die Hand genommen hat und tatsächlich wie ein geschäftsführendes Organ tätig wird. Dazu reicht eine interne Einwirkung auf die satzungsmäßigen Geschäftsführer nicht aus, sondern es muss auch ein eigenes, nach außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln gegeben sein.

OLG SchlH, Urt. v. 27.11.2024 – 9 U 22/24, ZIP 2024, 2948. S. zu der Problematik bereits BGH, Urt. v. 11.7.2005 – II ZR 235/03, ZInsO 2005, 878.

5. Obliegenheiten eines Scheingeschäftsführers – § 15a InsO

Die in § 15a InsO verankerte Insolvenzantragspflicht nach Eintritt der Insolvenzreife ist eine Kardinalpflicht. Zum Elementarwissen eines Geschäftsführers gehört die Vergewisserung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft sowie die eingehende Prüfung der Insolvenzreife. Der Unternehmensleiter ist zur beständigen wirtschaftlichen Selbstkontrolle verpflichtet. Tritt der Geschäftsführer lediglich als Strohmann auf, kann ihn dies insoweit nicht entlasten, da ihm dann die wissentliche Verletzung kardinaler Organisations- und Kontrollpflichten anzulasten ist. Will ein eingetragener Geschäftsführer, der seine Organtätigkeit faktisch nicht ausübt und keine Kontrollmöglichkeiten in Bezug auf die Geschäfte der Gesellschaft hat, sich haftungsbefreiend von der Gesellschaft trennen, muss er sein Amt niederlegen.

OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 16.1. 2025 – 7 W 20/24, ZRI 2025, 143. Vgl. bereits BGH, Beschl. v. 21.5.2019 – II ZR 337/17, ZInsO 2019, 1529.

6. Insolvenzanfechtung gezahlter Geldauflagen – § 129 InsO, § 153a StPO

Auch von der Strafjustiz beschlossene Geldauflagen können insolvenzrechtlich angefochten und zurückgefordert werden. Das Land ist dabei gleichfalls für Zahlungen, die nicht der Landeskasse, sondern gemeinnützigen Einrichtungen zugutekommen, richtiger Anfechtungsgegner. Das Land ist nach Meinung des Gerichts weiter hinsichtlich der von seiner Strafjustiz beschlossenen Geldauflage einem Insolvenzgläubiger (§ 131 InsO) gleichgestellt. Den in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO genannten Geldzahlungsverpflichtungen sind – jedenfalls im Rahmen des § 131 InsO – die von der Strafjustiz beschlossenen Geldauflagen gleichrangig. Solche Geldauflagen sind als unvollkommene Verbindlichkeiten zu qualifizieren, welche das Land als Insolvenzgläubiger „nicht zu beanspruchen“ hat (§ 131 Abs. 1 Alt. 1 InsO).

OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 15.1.2025 – 4 U 137/23, ZIP 2025, 274. Zu der Problematik vgl. bereits Cranshaw, jurisPR-InsR 17/2008, Anm. 1.

 

IV. Verwaltungsgerichtliche Entscheidungen mit potentieller strafrechtlicher Relevanz

Gewerberechtliche Unzuverlässigkeit

Die Nichtabgabe der Vermögensauskunft rechtfertigt die Annahme, dass der GmbH-Geschäftsführer nicht nur leistungsunfähig, sondern auch leistungsunwillig und damit gewerberechtlich unzuverlässig ist. Denn aus einer solchen Verhaltensweise wird die Weigerung des Geschäftsführers deutlich, seinen Gläubigern und denen der von ihm vertretenen Gesellschaft den notwendigen Überblick über die jeweiligen Vermögensverhältnisse zu verschaffen. Dies ist mit der Annahme einer ordnungsgemäßen Gewerbeausübung nicht zu vereinbaren.

VGH München, Beschl. v. 11.6.2024 – 22 ZB 23.2014, ZInsO 2024, 2633.

 

Autorinnen und Autoren

  • Raimund Weyand
    Raimund Weyand war bis zum seinem Eintritt in den Ruhestand am 31.12.2021 stellvertretender Leiter der Staatsanwaltschaft Saarbrücken. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Insolvenz-, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht und hat auf diesen Themengebieten bereits zahlreiche Beiträge publiziert. Weyand ist (Mit-)Verfasser mehrerer insolvenz- und wirtschaftsstrafrechtlicher Buchveröffentlichungen, Mitautor des Kommentars von Graf/Jäger/Wittig zum Steuer- und Wirtschaftsstrafrecht und gehört seit deren Gründung dem Herausgebergremium der Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht (ZInsO) an.

WiJ

  • Dr. Markus Rübenstahl, Mag. iur.

    Die Bundesnetzagentur und das Straf- und Bußgeldverfahren

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Dr. André-M. Szesny, LL.M.

    Kapitalmarktrechtliche Aspekte interner Untersuchungen

    Bank-, Kredit- und Kapitalmarktrecht, Geldwäsche

  • Dr. Anna Oehmichen , Alba Hernandez Weiss LL.M.

    Die EUStA: Eine neue EU-Dimension der Frage der Entschädigung bei überlanger Verfahrensdauer?

    Internationales Strafrecht, EU, Rechtshilfe, Auslandsbezüge