stud. iur. Marcel Behrendt, stud. iur. Bastian Schmack

Vom Schwimmen im kalten Wasser – Erfahrungen aus einem wirtschaftsstraf-rechtlich-/strafprozessualen Moot Court

Unter der Leitung von Prof. Dr. Matthias Jahn (Forschungsstelle Recht und Praxis der Strafverteidigung an der Goethe-Universität) sowie dem Rechtsanwalt und wissenschaftlichen Mitarbeiter am Lehrstuhl, Fabian Meinecke, hatten Frankfurter Studenten durch Unterstützung der WisteV erstmals die Gelegenheit, selbst in die Robe eines Staatsanwalts oder Strafverteidigers zu schlüpfen – und das ist wörtlich zu verstehen.

I. Die Veranstaltung

Zu Beginn des Wintersemesters 2014/15 wurden wir auf die Ankündigung des Lehrstuhls aufmerksam, dass ein zweisemestriger wirtschaftsstrafrechtlicher Moot Court stattfinden würde. Die Chance, bereits im Studium diese seltene Möglichkeit zu bekommen, unter einer professionellen Leitung praktische Erfahrungen zu sammeln, wollten wir uns nicht entgehen lassen. Durch die Vorbesprechung, in der uns geschildert wurde, was uns alles erwarten würde, hat sich dieser positive Eindruck nochmals verstärkt. Wir wollten unbedingt dabei sein. Nach einer Bewerbungsphase, in der Motivationsschreiben, bisherige Studienleistungen und praktische Erfahrungen den Ausschlag für eine Teilnahme geben sollten, konnten sich letztendlich neun Studenten glücklich schätzen, am ersten wirtschaftsstrafrechtlichen-/strafprozessualen Moot Court der Goethe Universität in Kooperation mit der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung e.V. (WisteV) und Unterstützung von El§a Frankfurt teilnehmen zu können. Und wir waren tatsächlich unter den Auserwählten!

Alle Teilnehmer wurden in vier Gruppen unterteilt, je zwei Teams der Staatsanwaltschaft sowie zwei Teams der Strafverteidigung. Jede Gruppe bekam einen erfahrenen Mentor mit Renommee aus dem wirtschaftsstrafrechtlichen Bereich zur persönlichen Unterstützung zugeteilt. Die Teams der Staatsanwaltschaft wurden durch Herrn Rechtsanwalt Björn Krug, Mainz, die Verteidiger durch Herrn Rechtsanwalt Ulf Reuker, LL.M., Dortmund, in den für alle Teilnehmer neuen praktischen Aspekten der juristischen Arbeit im Strafrecht beraten. Für die WisteV stand vor allem Rechtsanwältin Kathie Schröder aus Frankfurt mit Rat und Tat zur Seite.

Die Teams der Staatsanwaltschaft bekamen zuerst das Aktenstück eines (nur leicht abgeänderten) realen Falles aus der Praxis und durften zuerst mit der Erstellung der Anklageschrift loslegen. Das erste große Highlight, auf das hingearbeitet wurde, war eine Pressekonferenz im Februar, in der die Staatsanwaltschaft ihre gewonnenen Erkenntnisse vorstellen konnte. Für die Verteidigung folgte darauf eine lange Nacht, in der die Strategie für die am Tag darauf folgende Pressekonferenz der Verteidigung vorbereitet werden sollte. Die Teams der Verteidigung bekamen auch erst an diesem Tag Akteneinsicht gewährt, um die teilweise bereits vorab zwischen den Teams gerungen worden war. Die Pressekonferenz war professionell organisiert. Sowohl ein Kamerateam als auch Vertreter der Presse waren anwesend und stellten die Teams vor die Herausforderung, ihre Fragen möglichst zu ihren Gunsten zu beantworten. Nach anfänglicher Nervosität wich unsere Anspannung immer mehr dem Spaß an dieser Erfahrung. In Folge der Pressekonferenz war es an der Strafverteidigung, eine möglichst umfassende Schutzschrift für ihren Mandanten zu erstellen und bei der zuständigen Wirtschaftsstrafkammer einzureichen.

Dann kam der Moment, auf den alle hingefiebert hatten: In einem der großen Gerichtssäle des Landgerichts Frankfurt stellte uns Prof. Jahn die Richter vor, die er für eine Teilnahme hatte begeistern können. Es wurde zwar vorher angekündigt, dass es sich um namhafte Personen aus der Justiz handelt, doch dass wir tatsächlich unter dem Vorsitz eines Richters des 2. Strafsenats des BGH – Prof. Dr. Christoph Krehl, zugleich Honorarprofessor an der Goethe-Universität – verhandeln würden, hätten wir uns vorher nicht erträumen lassen. Auch die anderen beiden Berufsrichter (Prof. Dr. Jürgen Taschke, ebenfalls Frankfurter Honorarprofessor, und der frühere hessische Justizstaatssekretär Rechtsanwalt Dr. Rudolf Kriszeleit) sowie die beiden Schöffinnen (Rechtsanwältin Dr. Anette Hartung und die amtierende Frankfurter El§a-Präsidentin Natascha Wombacher) standen dem in nichts nach, so dass unsere Aufregung nicht weniger wurde, als wir wussten, vor wem wir verhandeln sollten. Als Zeugen traten vorher von den Veranstaltern gecoachte Kommilitoninnen auf, die ihren Teil zu der realitätsnahen Atmosphäre beitragen konnten. Die Hauptverhandlung war insgesamt eine große Herausforderung, da gerade die unvorhergesehenen, von den Veranstaltern vorbereiteten Probleme für uns Studenten die meisten Schwierigkeiten, aber auch den meisten Lerneffekt brachten. Dank der „Werbung“, die Prof. Jahn in seinen Vorlesungen gemacht hatte, fanden zahlreiche Zuschauer einschließlich eines Gerichtsreporters der Frankfurter Rundschau den Weg in den Gerichtssaal – und das trotz sonnigen Badewetters. Bis zum Plädoyer als gefühltem Höhepunkt der Veranstaltung kämpften alle Teams darum, die Richter von ihrem gewünschten Ergebnis (Freispruch oder Verurteilung) zu überzeugen. Die im Anschluss an die Urteile folgenden positiven Reaktionen der Richter entschädigten uns für die viele Arbeit und zeigte deutlich, dass sich der große Einsatz sowohl in der Vorbereitung als auch in der Hauptverhandlung für alle Teilnehmer bezahlt gemacht hat.

II. Einige Überlegungen zum strafrechtsdidaktischen Mehrwert eines Moot Courts

Abschließend blicken wir auf das vergangene Jahr zurück und möchten dabei didaktische Aspekte des Formates Moot Court, insbesondere im Rahmen des Wirtschaftsstrafrechts, aus studentischer Sicht in den Vordergrund stellen. Dabei möchten wir reflektieren, was uns besonders motivierte an einer Teilnahme, welche Lerneffekte uns am meisten überraschten und wie die tägliche Teamarbeit an einem praxisorientierten Fall aussah. Außerdem möchten wir aufzeigen, warum es sich für jeden Studenten lohnt, an einer solchen Veranstaltung teilzunehmen.

Zunächst können wir mit Überzeugung sagen, dass sich die Teilnahme am wirtschaftsstrafrechtlichen Moot Court als eine der besten Entscheidungen unseres Studiums herausstellte. Wir hatten zwar bereits an zivilprozessualen Moot Courts teilgenommen, versprachen uns im Strafrecht aber noch mehr Potential für dieses Format. Im Strafverfahren sahen wir einen größeren Verhandlungsspielraum und mehr taktische Möglichkeiten als in einem zivilrechtlichen Prozess, der in der Regel auf den vorherigen Schriftsätzen aufbaut und – jedenfalls für uns – weniger Dynamik und Spannung versprach. Diese Erwartungen wurden voll bestätigt. Gerade das vom Verteidiger verlangte ausgeprägte Reaktionsvermögen in der Hauptverhandlung hat uns besonders beeindruckt. Gleichermaßen konnten wir erfahren, was die Rede vom „Verfahrensklima“ bedeutet – ein Erlebnis unter geschützten Bedingungen, das wir unseren zukünftigen Referendariatskollegen gewiss voraus haben. Hierbei empfanden wir es als besondere Herausforderung, dass im Strafrecht aller Reformen zum Trotz die Person des Angeklagten im Mittelpunkt steht. Nicht nur, dass man sich durch die intensive Auseinandersetzung mit den Personen besser in den Fall hineinversetzen konnte, es fiel auch leichter sich für „seinen“ Mandanten so richtig ins Zeug zu legen und im Zweifel bis tief in die Nacht für den Erfolg vor Gericht an der Vorbereitung eines Schriftsatzes zu arbeiten.

Gerade auf der Seite des Strafverteidigers lernten wir bereits zu Beginn der Veranstaltung, wie viel Raum es einnehmen sollte, sich intensiv mit der Persönlichkeit unseres Mandanten zu beschäftigen und diese von Anfang an gezielt einzusetzen. Aus unserer Sicht sollte es bei der teilweise unklaren Beweislage für den Schuldspruch, aber auch bei der Rechtsfolge entscheidend auf die Täterpersönlichkeit ankommen.

Besonders deutlich wurde dies in der Vorbereitungsphase auf die eigene Pressekonferenz, als wir nach der Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft schnellstmöglich einer Vorverurteilung durch die Presse – und damit auch der Öffentlichkeit – vorbeugen mussten. Die folgende Nacht nutzten wir daher ausgiebig dazu, verschiedene Strategien zu erörtern, die unseren Mandanten entlasten und eine andere Deutung des Sachverhalts zulassen sollten. Am folgenden Tag gingen wir ganz bewusst ein Risiko ein und entschieden uns gegen eine detaillierte juristische Aufarbeitung des Sachverhalts. Wir wollten vielmehr die Persönlichkeit unseres Mandanten in den Vordergrund rücken und der Presse einen Blick in das Leben des Menschen und Familienvaters geben. Mit Erfolg konnten wir auf diesem Wege nicht nur einer Vorverurteilung durch die Presse entgegenwirken, sondern bereits zu diesem frühen Zeitpunkt erste Sympathiepunkte für unseren Mandanten sammeln. Aufgrund der positiven Wirkung behielten wir diese Strategie kontinuierlich bis zum Plädoyer in der Hauptverhandlung bei, die wir schließlich auch mit einem Freispruch zu unseren Gunsten entscheiden konnten.

Die vielen Herausforderungen konnten uns in jeder Hinsicht optimal auf die zukünftige Praxis vorbereiten. Nicht nur einmal fanden wir uns im kalten Wasser wieder und mussten plötzlich schwimmen, ohne zu wissen, wie es eigentlich geht. Dass dies den größten Lerneffekt mit sich bringt, ist bekannt. Dass es dazu auch noch sehr viel Spaß machen kann, war jedenfalls für uns neu und daher umso erfreulicher. Spontan auf Fragen von neugierigen Journalisten in der Pressekonferenz zu reagieren, erforderte neben präzisen Antworten vor allem Schlagfertigkeit ohne dabei abgehoben zu wirken, aber auch ein hohes Maß an Authentizität. In der Hauptverhandlung konnten wir schließlich unsere rhetorischen Erkenntnisse erstmals praktisch einsetzen. Sich in einem Wortgefecht mit einem Richter des BGH wiederzufinden, ist eine Erfahrung, die man so schnell nicht vergessen wird. Nachdem wir eine solche Aufgabe erfolgreich meistern konnten, wird uns in der fachlichen Diskussion so schnell kein Kommilitone mehr aus der Ruhe bringen. Neben einem selbstbewussten Auftreten hatten wir uns für die Hauptverhandlung in Absprache mit unserem Mentor vorgenommen, keine Angst vor Fehlern zu haben und jede Gelegenheit, die sich uns bietet, für einen Freispruch für unseren Mandanten zu nutzen.

Die tägliche Arbeit im Team war eine tolle Erfahrung und stellt eine gelungene Abwechslung zum normalen Studienalltag dar, den man in der Regel alleine bewältigt. Die Weiterentwicklung der eigenen Kommunikations- und Teamfähigkeit wird dabei in unseren Augen im Studienalltag etwas vernachlässigt, wohingegen diese Komponenten im Moot Court im Mittelpunkt stehen und deshalb intensiv geschult werden können. Insbesondere das Zusammenspiel verschiedener Stärken und Lösungsansätze brachte oftmals die entscheidenden Ideen und Fortschritte, die nur durch die Zusammenarbeit im Team erreicht werden konnte. Auch in der Hauptverhandlung war es von Vorteil, sich zu jeder Zeit auf den anderen verlassen zu können. Ungeachtet dessen, dass eine Verteidigung im Team in der Praxis nicht der Regelfall ist, wurden die vielen Vorteile einer solchen gegenseitigen Unterstützung deutlich. Obwohl zwischen allen Teams durchweg eine kollegiale Stimmung herrschte, wurde der Wettkampfgedanke nicht vernachlässigt. Denn jedes Team wollte sich mit seiner individuellen Herangehensweise an den Prozess und einer sorgfältig entwickelten Strategien gegen die Kommilitonen der anderen Teams behaupten. Zwar war die intensive Vorbereitung der Hauptverhandlung und die Ausarbeitung der Schriftstücke sehr umfangreich, der Spaßfaktor und die praktische Erfahrung ließen diesen Aufwand aber mehr als vergessen. Die Gruppengröße von neun Teilnehmern war optimal, so dass jeder ausreichend Gelegenheit hatte, sich einbringen zu können.

In unserer beruflichen Zukunft werden wir auf diese Erfahrungen zurückgreifen und sie unabhängig davon, ob wir später als Rechtsanwalt, Staatsanwalt oder Richter tätig sind, gewinnbringend einsetzen können. Ein solch reibungslos organisierter Moot Court bringt daher aus unserer Sicht deutlich mehr praktische Erkenntnisse als so manches mehrmonatiges Praktikum. Nicht nur einmal hätten wir gerne andere Pflichten hintenangestellt, um weiter an einem Schriftsatz oder an der Strategie für eine erfolgreiche Pressekonferenz oder Hauptverhandlung zu tüfteln. Dennoch war es zu jeder Zeit möglich, noch für Examen und/oder den Schwerpunktbereich zu lernen. Die ganze Veranstaltung stellte sich als hervorragende Möglichkeit dar, neben dem eher theoretisch ausgerichteten Studium, über den Tellerrand des Unialltags hinaus zu schauen.

III. Fazit

Wir können eine Moot Court-Teilnahme deshalb jedem nur empfehlen, um einen ersten Eindruck in die zukünftige Arbeitswelt zu erhalten, insbesondere für diejenigen, die Interesse am (Wirtschafts-)Strafrecht mitbringen. Die Veranstaltung war eine hervorragende Gelegenheit, um echte Praxis in Zusammenarbeit mit etablierten Wirtschaftsstrafrechtlern zu erleben und sich auf das Referendariat oder eine spätere Tätigkeit als Staatsanwalt oder Strafverteidiger vorzubereiten. An dieser Stelle deshalb nochmals vielen Dank an Prof. Jahn und Herrn Rechtsanwalt Meinecke für die professionelle Organisation über das ganze vergangene Jahr. Die Veranstaltung war stets derart realitätsnah, dass man bisweilen vergaß, nur einen fiktiven Mandanten zu vertreten. Wir beide möchten uns auch besonders bei unserem persönlichen Mentor, Rechtsanwalt Ulf Reuker, bedanken, der uns von Anfang an mit vielen praktischen Tipps zur Seite stand und uns interessante Einblicke in die tägliche Arbeit des Strafverteidigers eröffnet hat.

 

Unter der Leitung von Prof. Dr. Matthias Jahn (Forschungsstelle Recht und Praxis der Strafverteidigung an der Goethe-Universität) sowie dem Rechtsanwalt und wissenschaftlichen Mitarbeiter am Lehrstuhl, Fabian Meinecke, hatten Frankfurter Studenten durch Unterstützung der WisteV erstmals die Gelegenheit, selbst in die Robe eines Staatsanwalts oder Strafverteidigers zu schlüpfen – und das ist wörtlich zu verstehen.

I. Die Veranstaltung

Zu Beginn des Wintersemesters 2014/15 wurden wir auf die Ankündigung des Lehrstuhls aufmerksam, dass ein zweisemestriger wirtschaftsstrafrechtlicher Moot Court stattfinden würde. Die Chance, bereits im Studium diese seltene Möglichkeit zu bekommen, unter einer professionellen Leitung praktische Erfahrungen zu sammeln, wollten wir uns nicht entgehen lassen. Durch die Vorbesprechung, in der uns geschildert wurde, was uns alles erwarten würde, hat sich dieser positive Eindruck nochmals verstärkt. Wir wollten unbedingt dabei sein. Nach einer Bewerbungsphase, in der Motivationsschreiben, bisherige Studienleistungen und praktische Erfahrungen den Ausschlag für eine Teilnahme geben sollten, konnten sich letztendlich neun Studenten glücklich schätzen, am ersten wirtschaftsstrafrechtlichen-/strafprozessualen Moot Court der Goethe Universität in Kooperation mit der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung e.V. (WisteV) und Unterstützung von El§a Frankfurt teilnehmen zu können. Und wir waren tatsächlich unter den Auserwählten!

Alle Teilnehmer wurden in vier Gruppen unterteilt, je zwei Teams der Staatsanwaltschaft sowie zwei Teams der Strafverteidigung. Jede Gruppe bekam einen erfahrenen Mentor mit Renommee aus dem wirtschaftsstrafrechtlichen Bereich zur persönlichen Unterstützung zugeteilt. Die Teams der Staatsanwaltschaft wurden durch Herrn Rechtsanwalt Björn Krug, Mainz, die Verteidiger durch Herrn Rechtsanwalt Ulf Reuker, LL.M., Dortmund, in den für alle Teilnehmer neuen praktischen Aspekten der juristischen Arbeit im Strafrecht beraten. Für die WisteV stand vor allem Rechtsanwältin Kathie Schröder aus Frankfurt mit Rat und Tat zur Seite.

Die Teams der Staatsanwaltschaft bekamen zuerst das Aktenstück eines (nur leicht abgeänderten) realen Falles aus der Praxis und durften zuerst mit der Erstellung der Anklageschrift loslegen. Das erste große Highlight, auf das hingearbeitet wurde, war eine Pressekonferenz im Februar, in der die Staatsanwaltschaft ihre gewonnenen Erkenntnisse vorstellen konnte. Für die Verteidigung folgte darauf eine lange Nacht, in der die Strategie für die am Tag darauf folgende Pressekonferenz der Verteidigung vorbereitet werden sollte. Die Teams der Verteidigung bekamen auch erst an diesem Tag Akteneinsicht gewährt, um die teilweise bereits vorab zwischen den Teams gerungen worden war. Die Pressekonferenz war professionell organisiert. Sowohl ein Kamerateam als auch Vertreter der Presse waren anwesend und stellten die Teams vor die Herausforderung, ihre Fragen möglichst zu ihren Gunsten zu beantworten. Nach anfänglicher Nervosität wich unsere Anspannung immer mehr dem Spaß an dieser Erfahrung. In Folge der Pressekonferenz war es an der Strafverteidigung, eine möglichst umfassende Schutzschrift für ihren Mandanten zu erstellen und bei der zuständigen Wirtschaftsstrafkammer einzureichen.

Dann kam der Moment, auf den alle hingefiebert hatten: In einem der großen Gerichtssäle des Landgerichts Frankfurt stellte uns Prof. Jahn die Richter vor, die er für eine Teilnahme hatte begeistern können. Es wurde zwar vorher angekündigt, dass es sich um namhafte Personen aus der Justiz handelt, doch dass wir tatsächlich unter dem Vorsitz eines Richters des 2. Strafsenats des BGH – Prof. Dr. Christoph Krehl, zugleich Honorarprofessor an der Goethe-Universität – verhandeln würden, hätten wir uns vorher nicht erträumen lassen. Auch die anderen beiden Berufsrichter (Prof. Dr. Jürgen Taschke, ebenfalls Frankfurter Honorarprofessor, und der frühere hessische Justizstaatssekretär Rechtsanwalt Dr. Rudolf Kriszeleit) sowie die beiden Schöffinnen (Rechtsanwältin Dr. Anette Hartung und die amtierende Frankfurter El§a-Präsidentin Natascha Wombacher) standen dem in nichts nach, so dass unsere Aufregung nicht weniger wurde, als wir wussten, vor wem wir verhandeln sollten. Als Zeugen traten vorher von den Veranstaltern gecoachte Kommilitoninnen auf, die ihren Teil zu der realitätsnahen Atmosphäre beitragen konnten. Die Hauptverhandlung war insgesamt eine große Herausforderung, da gerade die unvorhergesehenen, von den Veranstaltern vorbereiteten Probleme für uns Studenten die meisten Schwierigkeiten, aber auch den meisten Lerneffekt brachten. Dank der „Werbung“, die Prof. Jahn in seinen Vorlesungen gemacht hatte, fanden zahlreiche Zuschauer einschließlich eines Gerichtsreporters der Frankfurter Rundschau den Weg in den Gerichtssaal – und das trotz sonnigen Badewetters. Bis zum Plädoyer als gefühltem Höhepunkt der Veranstaltung kämpften alle Teams darum, die Richter von ihrem gewünschten Ergebnis (Freispruch oder Verurteilung) zu überzeugen. Die im Anschluss an die Urteile folgenden positiven Reaktionen der Richter entschädigten uns für die viele Arbeit und zeigte deutlich, dass sich der große Einsatz sowohl in der Vorbereitung als auch in der Hauptverhandlung für alle Teilnehmer bezahlt gemacht hat.

II. Einige Überlegungen zum strafrechtsdidaktischen Mehrwert eines Moot Courts

Abschließend blicken wir auf das vergangene Jahr zurück und möchten dabei didaktische Aspekte des Formates Moot Court, insbesondere im Rahmen des Wirtschaftsstrafrechts, aus studentischer Sicht in den Vordergrund stellen. Dabei möchten wir reflektieren, was uns besonders motivierte an einer Teilnahme, welche Lerneffekte uns am meisten überraschten und wie die tägliche Teamarbeit an einem praxisorientierten Fall aussah. Außerdem möchten wir aufzeigen, warum es sich für jeden Studenten lohnt, an einer solchen Veranstaltung teilzunehmen.

Zunächst können wir mit Überzeugung sagen, dass sich die Teilnahme am wirtschaftsstrafrechtlichen Moot Court als eine der besten Entscheidungen unseres Studiums herausstellte. Wir hatten zwar bereits an zivilprozessualen Moot Courts teilgenommen, versprachen uns im Strafrecht aber noch mehr Potential für dieses Format. Im Strafverfahren sahen wir einen größeren Verhandlungsspielraum und mehr taktische Möglichkeiten als in einem zivilrechtlichen Prozess, der in der Regel auf den vorherigen Schriftsätzen aufbaut und – jedenfalls für uns – weniger Dynamik und Spannung versprach. Diese Erwartungen wurden voll bestätigt. Gerade das vom Verteidiger verlangte ausgeprägte Reaktionsvermögen in der Hauptverhandlung hat uns besonders beeindruckt. Gleichermaßen konnten wir erfahren, was die Rede vom „Verfahrensklima“ bedeutet – ein Erlebnis unter geschützten Bedingungen, das wir unseren zukünftigen Referendariatskollegen gewiss voraus haben. Hierbei empfanden wir es als besondere Herausforderung, dass im Strafrecht aller Reformen zum Trotz die Person des Angeklagten im Mittelpunkt steht. Nicht nur, dass man sich durch die intensive Auseinandersetzung mit den Personen besser in den Fall hineinversetzen konnte, es fiel auch leichter sich für „seinen“ Mandanten so richtig ins Zeug zu legen und im Zweifel bis tief in die Nacht für den Erfolg vor Gericht an der Vorbereitung eines Schriftsatzes zu arbeiten.

Gerade auf der Seite des Strafverteidigers lernten wir bereits zu Beginn der Veranstaltung, wie viel Raum es einnehmen sollte, sich intensiv mit der Persönlichkeit unseres Mandanten zu beschäftigen und diese von Anfang an gezielt einzusetzen. Aus unserer Sicht sollte es bei der teilweise unklaren Beweislage für den Schuldspruch, aber auch bei der Rechtsfolge entscheidend auf die Täterpersönlichkeit ankommen.

Besonders deutlich wurde dies in der Vorbereitungsphase auf die eigene Pressekonferenz, als wir nach der Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft schnellstmöglich einer Vorverurteilung durch die Presse – und damit auch der Öffentlichkeit – vorbeugen mussten. Die folgende Nacht nutzten wir daher ausgiebig dazu, verschiedene Strategien zu erörtern, die unseren Mandanten entlasten und eine andere Deutung des Sachverhalts zulassen sollten. Am folgenden Tag gingen wir ganz bewusst ein Risiko ein und entschieden uns gegen eine detaillierte juristische Aufarbeitung des Sachverhalts. Wir wollten vielmehr die Persönlichkeit unseres Mandanten in den Vordergrund rücken und der Presse einen Blick in das Leben des Menschen und Familienvaters geben. Mit Erfolg konnten wir auf diesem Wege nicht nur einer Vorverurteilung durch die Presse entgegenwirken, sondern bereits zu diesem frühen Zeitpunkt erste Sympathiepunkte für unseren Mandanten sammeln. Aufgrund der positiven Wirkung behielten wir diese Strategie kontinuierlich bis zum Plädoyer in der Hauptverhandlung bei, die wir schließlich auch mit einem Freispruch zu unseren Gunsten entscheiden konnten.

Die vielen Herausforderungen konnten uns in jeder Hinsicht optimal auf die zukünftige Praxis vorbereiten. Nicht nur einmal fanden wir uns im kalten Wasser wieder und mussten plötzlich schwimmen, ohne zu wissen, wie es eigentlich geht. Dass dies den größten Lerneffekt mit sich bringt, ist bekannt. Dass es dazu auch noch sehr viel Spaß machen kann, war jedenfalls für uns neu und daher umso erfreulicher. Spontan auf Fragen von neugierigen Journalisten in der Pressekonferenz zu reagieren, erforderte neben präzisen Antworten vor allem Schlagfertigkeit ohne dabei abgehoben zu wirken, aber auch ein hohes Maß an Authentizität. In der Hauptverhandlung konnten wir schließlich unsere rhetorischen Erkenntnisse erstmals praktisch einsetzen. Sich in einem Wortgefecht mit einem Richter des BGH wiederzufinden, ist eine Erfahrung, die man so schnell nicht vergessen wird. Nachdem wir eine solche Aufgabe erfolgreich meistern konnten, wird uns in der fachlichen Diskussion so schnell kein Kommilitone mehr aus der Ruhe bringen. Neben einem selbstbewussten Auftreten hatten wir uns für die Hauptverhandlung in Absprache mit unserem Mentor vorgenommen, keine Angst vor Fehlern zu haben und jede Gelegenheit, die sich uns bietet, für einen Freispruch für unseren Mandanten zu nutzen.

Die tägliche Arbeit im Team war eine tolle Erfahrung und stellt eine gelungene Abwechslung zum normalen Studienalltag dar, den man in der Regel alleine bewältigt. Die Weiterentwicklung der eigenen Kommunikations- und Teamfähigkeit wird dabei in unseren Augen im Studienalltag etwas vernachlässigt, wohingegen diese Komponenten im Moot Court im Mittelpunkt stehen und deshalb intensiv geschult werden können. Insbesondere das Zusammenspiel verschiedener Stärken und Lösungsansätze brachte oftmals die entscheidenden Ideen und Fortschritte, die nur durch die Zusammenarbeit im Team erreicht werden konnte. Auch in der Hauptverhandlung war es von Vorteil, sich zu jeder Zeit auf den anderen verlassen zu können. Ungeachtet dessen, dass eine Verteidigung im Team in der Praxis nicht der Regelfall ist, wurden die vielen Vorteile einer solchen gegenseitigen Unterstützung deutlich. Obwohl zwischen allen Teams durchweg eine kollegiale Stimmung herrschte, wurde der Wettkampfgedanke nicht vernachlässigt. Denn jedes Team wollte sich mit seiner individuellen Herangehensweise an den Prozess und einer sorgfältig entwickelten Strategien gegen die Kommilitonen der anderen Teams behaupten. Zwar war die intensive Vorbereitung der Hauptverhandlung und die Ausarbeitung der Schriftstücke sehr umfangreich, der Spaßfaktor und die praktische Erfahrung ließen diesen Aufwand aber mehr als vergessen. Die Gruppengröße von neun Teilnehmern war optimal, so dass jeder ausreichend Gelegenheit hatte, sich einbringen zu können.

In unserer beruflichen Zukunft werden wir auf diese Erfahrungen zurückgreifen und sie unabhängig davon, ob wir später als Rechtsanwalt, Staatsanwalt oder Richter tätig sind, gewinnbringend einsetzen können. Ein solch reibungslos organisierter Moot Court bringt daher aus unserer Sicht deutlich mehr praktische Erkenntnisse als so manches mehrmonatiges Praktikum. Nicht nur einmal hätten wir gerne andere Pflichten hintenangestellt, um weiter an einem Schriftsatz oder an der Strategie für eine erfolgreiche Pressekonferenz oder Hauptverhandlung zu tüfteln. Dennoch war es zu jeder Zeit möglich, noch für Examen und/oder den Schwerpunktbereich zu lernen. Die ganze Veranstaltung stellte sich als hervorragende Möglichkeit dar, neben dem eher theoretisch ausgerichteten Studium, über den Tellerrand des Unialltags hinaus zu schauen.

III. Fazit

Wir können eine Moot Court-Teilnahme deshalb jedem nur empfehlen, um einen ersten Eindruck in die zukünftige Arbeitswelt zu erhalten, insbesondere für diejenigen, die Interesse am (Wirtschafts-)Strafrecht mitbringen. Die Veranstaltung war eine hervorragende Gelegenheit, um echte Praxis in Zusammenarbeit mit etablierten Wirtschaftsstrafrechtlern zu erleben und sich auf das Referendariat oder eine spätere Tätigkeit als Staatsanwalt oder Strafverteidiger vorzubereiten. An dieser Stelle deshalb nochmals vielen Dank an Prof. Jahn und Herrn Rechtsanwalt Meinecke für die professionelle Organisation über das ganze vergangene Jahr. Die Veranstaltung war stets derart realitätsnah, dass man bisweilen vergaß, nur einen fiktiven Mandanten zu vertreten. Wir beide möchten uns auch besonders bei unserem persönlichen Mentor, Rechtsanwalt Ulf Reuker, bedanken, der uns von Anfang an mit vielen praktischen Tipps zur Seite stand und uns interessante Einblicke in die tägliche Arbeit des Strafverteidigers eröffnet hat.

Autorinnen und Autoren

  • stud. iur. Marcel Behrendt
    Marcel Behrendt hat Anfang des Jahres 2015 sein Erstes Staatsexamen an der Universität Frankfurt a.M. mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsrecht (Law & Finance) abgelegt. Derzeit ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei SKW Schwarz Rechtsanwälte (FFM).
  • stud. iur. Bastian Schmack
    Bastian Maximilian Schmack hat Anfang des Jahres 2015 sein Erstes Staatsexamen an der Universität Frankfurt mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsstrafrecht (Law & Finance) abgelegt. Bis August 2015 war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Linklaters LLP (FFM), ab September 2015 wird er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Allen & Overy LLP (FFM) tätig sein.

WiJ

  • Jakob Lehners

    Digitale Akteneinsicht in der Untersuchungshaft

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Sigrid Mehring-Zier

    Wirtschaftsvölkerstrafrecht in der europäischen Praxis – und Deutschland?

    Internationales Strafrecht, EU, Rechtshilfe, Auslandsbezüge

  • Dr. Mayeul Hièramente

    Svenja Jutta Luise Karl, Die Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen. Kritik und Verbesserungsvorschläge unter besonderer Berücksichtigung des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens.

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)